OSZE in Wien: Tief in der Krise
Das Außenministertreffen endet am Freitag ohne einen gemeinsamen Beschluss der 57 Mitgliedsstaaten. Die USA drohen mit Austritt und Budgetkürzung.
Die Erwartungen waren von vornherein niedrig. Doch dass es am Ende der zweitägigen OSZE-Außenministertreffen gar keinen Beschluss gegeben hat, auf den sich die 57 Mitgliedsländer einigen konnten, war dann doch überraschend. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Vorläufer 1975 inmitten des Kalten Kriegs gegründet wurde, steckt tiefer in der Krise denn je.
Allein, dass das Treffen in der österreichischen Hauptstadt stattfand, ist schon symptomatisch. Zwar ist Wien der OSZE-Hauptsitz, eigentlich hat aber Finnland aktuell den Vorsitz inne. Überblicherweise finden alle Gipfeltreffen im Vorsitzland statt.
Warum also Wien? Offiziell wird mit einfacherer Logistik argumentiert. In Wahrheit schien ein neutrales Mitgliedsland aber diplomatisch einfacher vermittelbar als Finnland, das infolge der russischen Invasion in der Ukraine 2023 der NATO beigetreten war.
Der Aggressor Russland sitzt noch immer ohne jegliche Einschränkung in der OSZE, die einst zur Friedenssicherung gegründet worden war. Das kritiserte nicht nur der angereiste ukrainische Außenminister Andrij Sybiha, sondern auch sein polnischer Kollege Radosław Sikorski vehement.
Hybride Kriegsführung
Sikorski zeigte Fotos jener russischer Kampfdrohnen, die in den polnischen Luftraum eingedrungen waren. Auch auf die hybride Kriegsführung, die Russland längst auch gegen die EU einsetzt, verwies er eindrücklich.
Zwar wurde auf einzelne Erfolge bei Grenzstreitigkeiten in Zentralasien verwiesen. Auch der Friedensschluss zwischen Aserbaidschan und Armenien ohne OSZE-Beteiligung zustandegekommen wurde gelobt. All das verblasste aber neben dem alles dominierenden Ukrainekrieg.
Eine Veranstaltung am Rande behandelte die Tausenden nach Russland verschleppten ukrainischen Kinder, die dort umerzogen werden sollen. Inmitten flammender Appelle, unter anderem vom deutschen und britischen Außenminister, wurde aber vor allem die Ohnmacht der Europäer sichtbar.
Zwar wurde immer wieder betont, wie wichtig es sei, alle europäischen und für Europa relevanten Player an Bord zu haben. Wie wertvoll ist es aber wirklich, ein Land wie Russland am Tisch sitzen zu haben, das alle OSZE-Grundsätze missachtet und sich vom Völkerrecht längst verabschiedet hat?
Elefant im Raum
Diese Frage war der Elefant im Raum. Von Journalisten danach gefragt, wiegelten sowohl die finnischen Repräsentanten, als auch das in Wien ansäßige OSZE-Generalsekretariat ab. Die OSZE sei eben das einzige gemeinsame Forum, wo alle Seiten im Gespräch blieben.
Der Bedeutungsverlust der Organisation zeigte sich auch am Teilnehmerfeld des Treffens in Wien. Von den 57 Mitgliederstaaten waren kaum mehr als 30 auf Außenminister-Ebene vertreten – alle anderen sandten rangniedrigere Delegationen. Auch US-Außenminister Marco Rubio und sein russisches Pendent Sergei Lawrow glänzten durch Abwesenheit.
Anstelle Lawrows kam sein Vize Aleksandr Gruschko. Dieser nutzte sein Statement zum Gegenangriff: Die Europäer würden ihre Bevölkerungen auf einen Krieg gegen Russland einschwören, von der Bildung bis hin zur Wirtschaft. Russland hingegen werde an den Rand gedrängt.
Noch deutlicher wurde die Krise durch die Abwesenheit wichtiger US-Vertreter. Außenminister Marco Rubio schickte den Spitzenbeamten Brendan Hanrahan, der erst kürzlich von seiner Karriere als Investmentexperte ins Außenministerium gewechselt war.
Massiv unter Druck
Seine Rede hatte es in sich: Die Trump-Administration forderte eine Budgetkürzung um über zehn Prozent und drohte unverhohlen mit dem Austritt. Die Organisation müsse zu ihren Kernfunktionen zurückkehren, sich weniger auf Menschenrechts- und Demokratiefragen konzentrieren. Die Botschaft war klar: Die OSZE steht nun auch von transatlantischer Seite massiv unter Druck.
Dazu kommen interne Probleme: Bisher gibt es weder ein Budget für 2026, noch Details zu den wortreich beschworenen, aber völlig unkonkreten geplanten Reformen. Ebenso unklar bleibt, welches Land 2027 den OSZE-Vorsitz übernehmen soll. Gegen Zypern, das sich dafür angeboten hatte, gibt es ein Veto: Die Türkei. Einen Plan B gibt es bislang nicht. Ab Januar 2026 ist jedenfalls die Schweiz das neue Vorsitzland. Alles weitere bleibt völlig offen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert