Ein Bandscheibenvorfall kann sehr schmerzhaft sein, aber auch beschwerdefrei verlaufen. Wir klären zusammen mit einem Experten, was man unter einem Bandscheibenvorfall versteht, welche Ursachen er haben kann und was man selbst gegen mögliche Schmerzen tun kann.

Viele Menschen haben immer mal wieder Rückenschmerzen. Oft bleibt die Ursache dafür unklar, da viele Faktoren eine Rolle spielen, wenn der Bewegungsapparat schmerzt. Strahlen die Schmerzen aber etwa in die Beine oder Füße aus oder verspürt man Nervenschmerzen im Bereich des Ischiasnervs, kann es sich um einen Bandscheibenvorfall handeln.

Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall an der Wirbelsäule?

Die Bandscheiben sitzen zwischen den Wirbelkörpern und bestehen je aus einem äußeren Faserring und einem gelartigen Kern, der in gesunder Form einen hohen Flüssigkeitsgehalt aufweist. Etwa ab dem 20. Lebensjahr wird der Wassergehalt der Bandscheiben langsam weniger und ihr Faserring kann bei diesen Veränderungen kleine Risse bilden. Die Anfälligkeit für mögliche Verletzungen bei Belastung steigt.

"Im Verlauf des Lebens lässt der Wassergehalt der Bandscheibe nach und der Faserring wird rissig. Im Fasergeflecht können dabei kleine Lücken entstehen, aus denen der Gelkern vortreten kann. Man kann sich das bildlich so vorstellen, als würde man Zahnpasta aus einer Tube drücken. Diesen Vorgang bezeichnet man als Bandscheibenvorfall," erklärt David-Christopher Kubosch, Facharzt für Orthopädie, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Reißt der Faserring an einer Stelle komplett, kann es passieren, dass das ausgetretene Gewebe auf den Nervenkanal in der Wirbelsäule drückt. Dann kann es zu starken Rückenschmerzen mit Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Lähmungen kommen, die bis in die Arme und Beine ausstrahlen.

Wie unterscheidet sich ein Bandscheibenvorfall von einer Bandscheibenvorwölbung?

Bei einer Bandscheibenvorwölbung (bulging disc) wölbt sich die Bandscheibe in den Wirbelkanal vor, der Faserring bleibt aber intakt. Bei einem Bandscheibenvorfall (herniated disc) reißt der Faserring. © Getty Images/wildpixel

Bei einer Bandscheibenvorwölbung wölbt sich die gesamte Bandscheibe in den Wirbelkanal vor, der Faserring bleibt dabei aber intakt. Der Experte veranschaulicht es so: "In diesem Fall handelt es sich bildlich gesehen eher um einen Ballon, der sich in seiner Gesamtheit vorwölbt, wenn man auf einer Stelle darauf drückt". Auch eine vorgewölbte Bandscheibe kann auf einen Nerv oder das Rückenmark drücken und so Schmerzen verursachen.

Auch wenn der Begriff Bandscheibenvorwölbung vielen nicht geläufig ist, kommt diese Veränderung im Bereich der Bandscheiben relativ häufig vor. "Je niedriger der Wassergehalt der Bandscheibe, also vor allem bei Menschen im hohen Alter, desto häufiger kommt es zu dieser Vorwölbung und nicht zu einem Bandscheibenvorfall", erklärt Kubosch.

Was sind die Ursachen für einen Bandscheibenvorfall?

In den meisten Fällen tragen die jeweiligen Lebensumstände und der natürliche, altersbedingte Verschleiß der Bandscheiben dazu bei, dass ihr Gelkern hervortreten kann. Aber auch die genetische Veranlagung spielt eine Rolle.

Werden die Bandscheiben auf Dauer zudem nicht ausreichend mit Nährstoffen und Wasser versorgt, können die Faserringe porös werden. Dauerhafte Überlastung, Übergewicht, wenig Bewegung und ungesunde Ernährung erhöhen das Risiko für einen Bandscheibenvorfall oder eine -vorwölbung. Selten sind ein Unfall oder kurzfristige, extreme Belastung der Auslöser dafür, dass der Gelkern austritt.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Bandscheibenvorfälle und -vorwölbungen verursachen nicht zwingend Beschwerden und können auch lange unbemerkt bleiben. "Wir wissen, dass etwa 40 bis 50 Prozent der Bandscheibenvorfälle klinisch keine Beschwerden machen", sagt Kubosch. Schmerzen treten in der Regel erst auf, sobald das ausgetretene oder vorgewölbte Gewebe der Bandscheiben auf umliegende Nerven oder das Rückenmark drückt.

Meist bringen Physiotherapie und medikamentöse Schmerztherapie erste Linderung, auch zahlreiche Begleittherapien wie Reizstrom oder Akupunktur helfen Betroffenen. Mit der Zeit bildet sich das aus der Bandscheibe hervorgetretene Gewebe dann auf natürliche Weise zurück, es wird vom Körper also nach ein paar Wochen auch ohne operativen Eingriff abgebaut. Der Druck auf Nerven oder Rückenmark fällt weg und die Beschwerden verschwinden.

Wie kann ich mögliche Schmerzen selbst lindern?

"Viele Patientinnen und Patienten empfinden Wärmeanwendungen als wohltuend. Diese wirkt allerdings nicht direkt auf den Bandscheibenvorfall, sondern lockert die umliegende Muskulatur, die sich infolge der Schmerzen im Rückenbereich angespannt hat und regt die Durchblutung der Partie an, sodass Entzündungsstoffe besser abgebaut werden können", sagt der Wirbelsäulenspezialist.

Außerdem rät Kubosch zu Krafttraining. Vor allem rumpfstabilisierende Übungen sind sinnvoll, um Rückenschmerzen vorzubeugen und zu lindern. Eine klassische Übung für den gesamten Rumpf ist der Unterarmstütz, dabei arbeitet man mit dem Eigengewicht und stärkt die Muskulatur auf schonende Weise. Auch das Runden der Wirbelsäule zu einem Katzenbuckel kann zu Hause leicht ausgeführt werden und trägt zu Mobilisierung der Wirbelsäule und Bandscheiben bei.

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Wann ist eine OP unumgänglich?

Wenn durch konservative Therapiemethoden nicht die gewünschte Linderung erreicht wird oder der natürliche Heilungsprozess nicht abgewartet werden kann, etwa weil die Schmerzen zu groß sind, gibt es die Möglichkeit einer operativen Entfernung des ausgetretenen Gewebes. "Oft sind bei dieser Entscheidung die Schwere der Schmerzen und die Lebensumstände des Patienten entscheidend. Zudem rate ich ab einem gewissen Lähmungsgrad oder wenn beispielsweise eine Kraftminderung auftritt, eine Operation durchzuführen", sagt Kubosch.

Kann man einem Bandscheibenvorfall vorbeugen?

Prävention ist immer möglich. Je nach Lebenssituation ist laut Kubosch allerdings meist der fehlende Ausgleich an Bewegung problematisch. Gerade wer berufsbedingt viel sitzt, sollte in der Freizeit Sport treiben und sich auch im Alltag möglichst viel bewegen, zum Beispiel kurze Strecken zu Fuß laufen oder mit dem Rad fahren und Treppen steigen, statt den Aufzug zu nehmen. Auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie ein normales Körpergewicht tragen zu langer Beweglichkeit und Belastbarkeit der Bandscheiben bei.

Über den Gesprächspartner

  • Privatdozent Dr. David-Christopher Kubosch ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Spezialist für Wirbelsäulenchirurgie an der Gelenk-Klinik Gundelfingen/Freiburg. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählen Bandscheibenoperationen und -prothesen sowie die Wirbelsäulenchirurgie im Allgemeinen.

Verwendete Quellen

Teaserbild: © Getty Images/Nuttawan Jayawan