Steht uns in diesem Jahr eine besonders schwere Grippewelle bevor? Zumindest deutet es darauf hin: Die Grippesaison beginnt in Europa ungewöhnlich früh, aufgrund einer neuen Virusvariante. So schätzen Fachleute die Lage ein.

Eine neue Grippevirus-Variante haben Expertinnen und Experten derzeit besonders im Auge. Die Influenza-Variante Subklade K, ein untergeordneter Zweig im Virenstamm des bekannten Grippevirus H3N2, treibt die derzeitige Virusverbreitung voran.

Grippesaison "ungewöhnlich früh" gestartet

Laut der EU-Gesundheitsbehörde ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) hat die Grippesaison deshalb in diesem Jahr "ungewöhnlich früh" begonnen. Demnach gibt es im Europäischen Wirtschaftsraum derzeit einen etwa drei bis vier Wochen früheren Anstieg von Influenzafällen als in den beiden vergangenen Grippesaisons.

Auch in Großbritannien stiegen die Zahlen schon früher als üblich an. John Tregoning, Professor für Impfstoffimmunologie am Imperial College London, sagte dem Science Media Center: "Die Grippesaison hat in Großbritannien und anderen Ländern der nördlichen Hemisphäre früher als gewöhnlich begonnen. Dies hängt mit einer Veränderung eines der zirkulierenden Grippevirusstämme zusammen."

A(H3N2) Subklade K: Impfstoff weniger wirksam?

Die ECDC bereite sich "auf das Szenario vor, dass Europa eine schwerere Grippesaison als bisher erleben könnte, insbesondere wenn die Impfquote niedrig ist". Grund dafür ist die neue Variante. Der hauptsächlich zirkulierende Grippevirusstamm H3N2 habe innerhalb der letzten sechs Monate eine Mutation durchlaufen, erklärt Tregoning. Diese Variante wird als Subklade K bezeichnet.

Laut der ECDC weicht die Variante signifikant vom Virusstamm ab, wie Analysen gezeigt hätten. Das könnte ein mögliches Problem darstellen, denn der saisonale Grippeimpfstoff beruht noch nicht auf der neuen Veränderung des Grippevirusstammes. Das liegt daran, dass die Impfstoffproduktion mit etwa einem Jahr Vorlauf beginnt. "Deshalb passen die Impfstoffe nie hundertprozentig", erklärt Gülşah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg der "Süddeutschen Zeitung". Sie betont jedoch: "Aber sie werden gut genug sein, um die Gefahr für einen schweren Krankheitsverlauf zu senken."

Neue Variante kann sich wohl leichter verbreiten

Zudem könnte in der Bevölkerung eine geringere Immunität gegen A(H3N2) bestehen. Schließlich war der Stamm in den vergangenen Jahren nicht dominant. Eine geringere Immunität könnte also mit mehr Ansteckungen als gewöhnlich einhergehen. "Unsere Immunantwort kann das Virus einfach nicht so gut erkennen und es deshalb auch nicht so gut abwehren", sagt Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität München gegenüber BR24.

Wie BR24 berichtet, zeigen erste Studien zum Infektionsgeschehen, dass der neue Subtyp ansteckender ist als andere Influenzavirusstämme. Forschende rechnen deshalb mit einer um rund 20 Prozent erhöhten Fallzahl gegenüber einer durchschnittlichen Grippewelle.

Laut Gabriel ist noch unbekannt, wie gefährlich die neue Subklade K tatsächlich ist. Es sei aber gewiss, dass H3N2 die unteren Atemwege infiziere und deshalb häufiger Lungenentzündungen verursache als H1N1, ein weiterer Subtyp des Influenza-A-Virus. "Deshalb sind wir alarmiert", sagt die Expertin. "Als wir im Winter 2022/23 besonders viele Influenza-Todesfälle hatten, war das ebenfalls ein H3N2-dominanter Winter." Gabriel betont aber auch: "Wie schwer eine Grippewelle verläuft und wie gut die Impfung schützt, kann man mit Gewissheit immer erst im Nachhinein sagen."

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Experten raten dringend zur Grippeimpfung

Das Robert Koch-Institut hat in Deutschland bis Mitte November vereinzelte Fälle von Grippe nachgewiesen, unter anderem auch A(H3N2). Aufgrund der Ausbreitung der neuen Variante appelliert Edoardo Colzani, Leiter der Abteilung Atemwegsviren beim ECDC: "Wenn Sie für eine Impfung infrage kommen, warten Sie bitte nicht. Sich jetzt impfen zu lassen, ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, sich selbst und Ihre Mitmenschen in diesem Winter vor schweren Erkrankungen zu schützen."

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Personen ab 60 Jahren, chronisch Kranken, Schwangeren, Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie medizinischem Personal und Menschen, die Risikopersonen betreuen, die saisonalen Influenza-Impfung.

Verwendete Quellen

Redaktioneller Hinweis

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