Forschenden ist es gelungen, Typ-1-Diabetes bei Mäusen zu verhindern. Das könnte ein erster Schritt sein, um nicht nur der chronischen Form von Diabetes vorzubeugen und sie zu heilen – es könnte auch andere Autoimmunerkrankungen heilbar machen.

Typ-1-Diabetes gilt als unheilbar. Doch eine neue Studie der renommierten Stanford-University in den USA liefert jetzt Ergebnisse, die Fachleute aufhorchen lassen: Alle Tiere eines Mäusemodells konnten dabei von der Autoimmunerkrankung geheilt werden. Das könnte ein erster wichtiger Schritt sein - zur Behandlung von Menschen müsste allerdings noch viel geschehen. Wie ein Experte die Studie einordnet.

Das sind die zwei Arten von Diabetes

Es gibt zwei Arten von Diabetes. Während Typ 2 Diabetes prinzipiell durch eine Anpassung des Lebensstils geheilt werden kann, gilt Typ 1 Diabetes als unheilbar. Nun zeigt eine neue Studie, dass es Ansätze gibt, wie man den Ausbruch der chronischen Erkrankung verhindern könnte – oder gar heilen. Die Studie wurde an Mäusen durchgeführt, es ist noch viel zu früh, um über die Behandlung erkrankter Menschen zu sprechen. Warum es sich laut einem Diabetes-Experten dennoch um einen "Lichtblick am Ende eines langen Tunnels" handelt.

Die Forschenden um Seung K. Kim, der das Stanford Diabetes Research Center leitet, betreuten ein Tiermodell mit 19 Mäusen. Neun davon hatten Typ-1-Diabetes. Alle Tiere konnten geheilt werden. Keinem der Tiere musste in den sechs Behandlungsmonaten zusätzlich Insulin verabreicht werden. Bei den restlichen zehn Tieren konnte ein Ausbruch der Erkrankung verhindert werden.

Wie war die Studie aufgebaut?

  • Die Mäuse mit Diabetes-Typ-1 erhielten Blutstammzellen und Bauchspeicheldrüsen-Inselzellen von nicht verwandten, genetisch nicht passenden Spendern.
  • Alle behandelten Tiere entwickelten ein „hybrides Immunsystem“ aus Spender- und Empfängerzellen, zeigten keine Autoimmunreaktionen mehr, benötigten weder Insulin noch Immunsuppressiva und wurden innerhalb von sechs Monaten von Typ-1-Diabetes vollständig geheilt (9/9 bei chronischem Diabetes; 19/19 vor Krankheitsausbruch)

    Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung. Das heißt: Das eigene Immunsystem greift Zellen im Körper an, die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse. Sie sind dafür verantwortlich, lebensnotwendiges Insulin zu produzieren. Bei Erkrankten gelingt das nicht mehr. Deshalb benötigen sie eine lebenslange Insulintherapie zum Überleben.

Erster Schritt, auf den noch viele folgen müssten

In früheren Studien wurde nur an den Zellen geforscht, die für die Insulinbildung zuständig sind. Die Behandlung in der Stanford-Studie beeinflusst hingegen das ganze Immunsystem. In dieser Studie transplantierten die Forschenden den Mäusen nicht nur gesunde Inselzellen, sondern auch Blutstammzellen. Die Tiere entwickeln ein sogenanntes hybrides Immunsystem: Es enthält Zellen von Spendern, aber auch vom Empfänger selbst.

Forschungsleiter Kim sieht großes Potenzial in dem ersten Tiermodell: "Wir glauben, dass dieser Ansatz für Menschen mit Typ-1-Diabetes oder anderen Autoimmunerkrankungen sowie für diejenigen, die eine Transplantation solider Organe benötigen, eine bahnbrechende Veränderung darstellen wird."

Baptist Gallwitz.
Baptist Gallwitz. © deckbar.de/Dirk Michael Deckbar

Auch Baptist Gallwitz von der Deutschen Diabetesgesellschaft ordnet die Erkenntnisse aus Stanford als wichtig und durchaus zukunftsfähig ein: "Dieser hybride Ansatz ist neu und vielversprechend, um Typ-1-Diabetes zu verhindern und zu behandeln", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Es bestehe sogar die Möglichkeit, Menschen mit Typ-1-Diabetes komplett zu heilen. "Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass man das Erkrankungsrisiko schon sehr früh erkennt."

Es gibt laut Gallwitz bereits weltweit laufende Typ-1-Diabetes-Früherkennungsstudien, ebenso wie vielversprechende Behandlungsansätze der Behandlung. Etwa das Medikament Teplizumab, das nach den USA auch bald in Europa zugelassen werde. "Es ist zwar noch nicht in der Lage, Diabetes 1 komplett zu verhindern, aber in seinem Auftreten um einen gewissen Zeitraum von Monaten oder auch wenigen Jahren zu verschieben", sagt Gallwitz. So effektiv wie die Erfolge aus dem Tiermodell sei das aber in der Anwendung bislang nicht.

Verändertes Immunsystem kann Risiken bergen

Doch wenn man das Immunsystem beeinflusst, wie es im Stanford-Modell der Fall ist, birgt das laut Gallwitz auch Risiken. Etwa, dass die Immunabwehr im schlimmsten Fall langfristig nicht mehr richtig funktioniere oder dass sich das Krebsrisiko erhöhe. Der Grund: "Das defekte Immunsystem kann die Krebszellen, die sich von normalen Körperzellen unterscheiden, nicht mehr als solche erkennen und beseitigen", so Gallwitz.

Empfehlungen der Redaktion

Auch die Wissenschaftler aus Stanford betonen: Es wird noch viele weiterführende Untersuchungen und Studien brauchen, bis die jetzt gesammelten Erkenntnisse für die Behandlung von Menschen in Betracht kommen könnten. So können momentan etwa die Inselzellen, die den Mäusen eingesetzt wurden, nur von toten Spendern entnommen werden. Für die Forschenden wäre es ein wichtiger Ansatz, an der künstlichen Herstellung dieser Inselzellen zu arbeiten. "Der Weg bis zu einer klinisch greifbaren und umsetzbaren Therapie ist noch sehr, sehr weit und ungewiss", sagt auch Gallwitz. "Doch es ist ein Lichtblick am Ende eines langen Tunnels."

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz ist Pressesprecher der Deutschen Diabetesgesellschaft. Von 2006 bis 2023 war er stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik IV an der Universität Tübingen.

Verwendete Quellen

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass es zwei Formen der Autoimmunerkrankung Diabetes gibt. Richtig ist, dass es zwei Formen von Diabetes gibt, nur eine davon - Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung.