Mindestlohnverdiener sollen künftig mehr Geld bekommen. Millionen Menschen profitieren davon, während Arbeitgebern höhere Ausgaben bevorstehen. In der Politik dürfte hingegen der Streit um das Thema weitergehen – insbesondere in der SPD.

In zwei Stufen soll der Mindestlohn steigen. Das hat die Mindestlohnkommission entscheiden. Bis Anfang 2026 soll er auf 13,90 Euro, zum 1. Januar 2027 dann auf 14,60 Euro steigen. Doch zufrieden, ist mit dieser Entscheidung kaum jemand.

"Diese massive Anhebung des Mindestlohns wird landwirtschaftliche Betriebe zum Ausstieg aus arbeitsintensiven Kulturen zwingen", erklärte etwa der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, in einer Pressemitteilung. Man werde "dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU nicht standhalten können".

Der Bauernverband hatte zuvor Ausnahmen vom Mindestlohn für Saisonarbeiter gefordert. "Wir schlagen vor, dass sie 80 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns erhalten", so Bauernpräsident Joachim Rukwied. Während sich Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) offen für die Idee zeigte, kam aus dem Arbeitsministerium von Bärbel Bas (SPD) eine klare Absage.

Der Sozialverband VdK hält die Erhöhung derweil für zu niedrig. "Ein Mindestlohn von 14,60 Euro pro Stunde ist zu wenig", erklärte Verbandspräsidentin Verena Bentele in einem schriftlichen Statement gegenüber unserer Redaktion.

Für Bentele sei auch "unverständlich, warum sich die Kommission nur auf diese zweistufige Anhebung verständigt hat." Darüber hinaus stelle sich die Frage "ob ein Stundenlohn von 14,60 Euro im Jahre 2027 wirklich eine gute Kaufkraft haben wird. Bis dahin wird die Inflation vieles wieder genommen haben."

SPD pocht auf 15 Euro Mindestlohn – Union auf Unabhängigkeit der Kommission

Die Mindestlohnkommission beseht aus Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern. Eigentlich soll sie alle zwei Jahre politisch unabhängig über Anpassungen des Mindestlohns entscheiden. Zuletzt beschloss sie 2023 einen stufenweisen Anstieg auf 12,82 Euro, der seit 1. Januar dieses Jahres gilt.

Doch mit Bildung der schwarz-roten Koalition stieg der politische Druck auf die Kommission. Die SPD hatte im Wahlkampf mit einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro geworben. Union und SPD hatten sich für den Koalitionsvertrag auf die Formulierung verständigt, dass dieser Betrag bis 2026 "erreichbar" sei.

Doch über die genaue Interpretation, was das heißt, entzündete sich zwischen den Parteien schnell ein Streit. So betrachtete man in der SPD die Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro als gesetzt.

Sollte die Kommission zu einem niedrigeren Ergebnis kommen, hatten die Sozialdemokraten gedroht, den Mindestlohn per Gesetz anzuheben. Die Union lehnte das entschieden ab und pochte auf die Unabhängigkeit der Kommission.

Entscheidung dürfte für Streit in der SPD sorgen

Die Entscheidung der Mindestlohnkommission wurde innerhalb der SPD unterschiedlich aufgenommen. Während Arbeitsministerin Bas den Kompromiss in einer Pressemitteilung "ausdrücklich" begrüßte, war aus der Fraktion deutlicher Unmut darüber zu vernehmen.

"14,60 Euro sind zu wenig – die Beschäftigten haben mehr verdient", heißt es in einem Pressestatement von Annika Klose, Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion.

Die Entscheidung sei "ein Schritt nach vorne, aber bleibt hinter dem zurück, was notwendig und gerecht ist." Sie mache zudem "deutlich: Es braucht eine Reform der Mindestlohnkommission", damit die ihrer Verantwortung für die Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten "gerecht werden kann".

Bei der SPD dürfte das Thema demnach noch für Gesprächsstoff sorgen. Auch, weil die Partei nur wenige Stunden nach der Verkündigung der Kommissionsentscheidung zu ihrem Parteitag in Berlin zusammen kommt. Gut möglich, dass dadurch auch der Konflikt zwischen ihr und dem Koalitionspartner wieder angeheizt werden könnte.

Die Kommission stieß hingegen eine Warnung in Richtung der SPD aus. "Versuche der politischen Beeinflussung" seien "nicht vereinbar" mit der festgeschriebenen Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission, wie deren Chefin Christiane Schönefeld erklärte.

Mindestlohnkommission gibt politischem Druck nicht nach

Trotzdem dürfte der politische Druck bei der Entscheidung der Kommission eine Rolle gespielt haben. Hätte die Kommission eine Anhebung auf 15 Euro für 2026 veranlasst, hätte sie sich vorwerfen lassen müssen, dass sie vor der Partei eingeknickt sei.

Dass der Mindestlohn nun zwar dem geforderten Wert nahe kommt, aber den von der SPD geforderten Zeitrahmen sprengt, dürfte diese Vermutungen zerstreuen. Außerdem steigt die Mehrbelastung für die Arbeitgeber so weniger steil an, was zur Kompromissfindung beigetragen haben dürfte.

Das Gremium betonte am Freitag, man habe die Erhöhung einstimmig beschlossen. Angesichts des Zerwürfnisses bei der letzten Kommissionsentscheidung dürfte, das für den Fortbestand des Gremiums wichtig gewesen sein.

2023 war die Mindestlohnkommission beinahe daran zerbrochen, dass sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter nicht einigen konnten. Letztlich stimmte die unabhängige Kommissionschefin Christiane Schönefeld mit den Arbeitgebern für die schrittweise Erhöhung des Lohns auf insgesamt 12,82 Euro. Die Gewerkschaftsvertreter hatten hingegen 13,50 Euro gefordert.

Sechs Millionen Menschen verdienen Mindestlohn

Die Erhöhung des Mindestlohns ist für viele Menschen in Deutschland relevant. Laut Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds beziehen etwa sechs Millionen Menschen hierzulande Mindestlohn.

Zudem waren laut einer Statistik des Statistischen Bundesamtes 2024 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Das entspricht rund 13,1 Millionen Menschen. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des über die Gesamtbevölkerung erhobenen Durchschnittseinkommen verfügt. Für eine alleinlebende Person sind das nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben monatlich 1.378 Euro.

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Arbeitgebervertreter führen immer wieder an, dass eine Erhöhung des Mindestlohns Arbeitsplätze koste. Doch die Wissenschaft kann bislang nicht bestätigen, dass durch den Mindestlohn im großen Stil Stellen wegfallen würden. Allerdings: Seit seiner Einführung 2015 wuchs die Wirtschaft in Deutschland. Inzwischen steckt das Land im zweiten Rezessionsjahr und die Aussicht auf Besserung ist mäßig.

Verwendete Quellen: