Sahra Wagenknecht gründete vor knapp zwei Jahren ihre eigene Partei: das Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW. Doch so soll es künftig nicht mehr heißen und Wagenknecht will auch nicht mehr an seiner Spitze stehen. Das Projekt steckt in einer schwierigen Phase.

Es wurde lange spekuliert, jetzt macht Sahra Wagenknecht klar: Sie wird im Dezember auf dem Bundesparteitag des BSW in Magdeburg nicht erneut als Parteichefin kandidieren. Das verkündete die Parteispitze am Montagnachmittag in Berlin.

"Ich werde heute keinen Rückzug verkünden. Ich werde mich weiter in führender Position beim BSW engagieren", sagte Wagenknecht in einer Pressekonferenz. Allerdings würden die Aufgaben nun auf ein größeres Team aufgeteilt. Wagenknecht sei als Parteichefin zu sehr in Management- und Organisationsaufgaben eingebunden gewesen. Dadurch sei sie für andere Aufgaben nahezu "lahmgelegt" gewesen.

Wochenlang wurde darüber spekuliert, ob Sahra Wagenknecht weiter an der Spitze ihrer Partei stehen wird. Am Freitag hatte sich Wagenknecht dann auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu Wort gemeldet und erklärt: "Es ist Unsinn, wenn von einem Rückzug berichtet wird. Ich werde mich weiter in führender Position im BSW engagieren." Welche Position das sein soll, ließ sie zu dem Zeitpunkt aber noch offen.

Wagenknecht künftig Leiterin einer Grundwertekommission

Nun ist klar: Künftig will Wagenknecht wieder mehr inhaltliche Steuerung übernehmen. Sie wird eine neue Grundwertekommission einführen und leiten – ihren Sitz im Vorstand will sie nicht aufgeben. "Ich will in Zukunft den Kopf wieder freihaben, für Dinge, mit denen ich dem BSW wirklich helfen kann, wo meine Stärken liegen", sagt Wagenknecht. Denn ihrer Ansicht nach sei das Profil der Partei inzwischen für viele nicht mehr so klar erkennbar. Das spiegele sich auch in den Umfragen wider. Wagenknecht will das wieder ändern.

Ihr Nachfolger soll Europapolitiker Fabio De Masi werden, gemeinsam mit Amira Mohamed Ali, die bereits zuvor mit Sahra Wagenknecht die Partei geleitet hat.

Auch BSW-Generalsekretär Christian Leye will sein Amt als Parteimanager abgeben und auf dem Bundesparteitag als stellvertretender Vorsitzender kandidieren. Das kündigte der 44-Jährige vergangene Woche bereits in einem "Welt"-Interview an. Er begründete seinen Schritt mit einer neuen Phase in der Entwicklung der Partei. Generell soll der Parteivorstand erweitert werden, das will das Präsidium dem Parteitag im Dezember ebenfalls als Vorschlag unterbreiten.

Anlass der Spekulationen um die personelle Neuaufstellung war zuvor unter anderem die Diskussion um einen neuen Namen. Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" will künftig ohne den Namen seiner Gründerin auskommen. Das Kürzel BSW soll bestehen bleiben; nach einem Vorschlag der Parteispitze soll der volle Name künftig für "Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft" heißen. Daran gibt es intern allerdings Kritik. Der Parteitag im Dezember muss dem Vorschlag mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Schwache Umfragewerte, interner Streit

Weggefährten versuchten Wagenknecht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bis zuletzt, zur erneuten Kandidatur für den Bundesvorsitz zu überreden. Denn ein Rückzug der Gründerin und Identifikationsfigur aus der allerersten Reihe träfe das BSW in einer schwierigen Phase.

So liegt das BSW bundesweit in Umfragen nur noch bei 3 bis 4 Prozent. In Brandenburg ist die Partei uneins über zwei Medienstaatsverträge, was in Potsdam eine Koalitionskrise ausgelöst hat. Für eine erste Hürde hat das BSW zugesagt, dass die Verträge am Mittwoch in einem Landtagsausschuss durchkommen. Die abschließende Entscheidung im Landtag in knapp zwei Wochen ist offen.

Regieren oder nicht?

In Sachsen-Anhalt herrscht nach einem Bericht des "Stern" erbitterter Streit im BSW-Landesvorstand. Dort soll nun ein Sonderparteitag über "die Richtungsbestimmung der Landespartei mit Blick auf die anstehende Landtagswahl 2026" entscheiden.

Grundsätzlich wird in der Partei darum gerungen, ob und wie man auf Länderebene mitregieren sollte. Wagenknecht hat sich wiederholt kritisch zur Regierungsbeteiligung in der Brombeer-Koalition mit CDU und SPD in Thüringen geäußert, die BSW-Landeschefin Katja Wolf vehement verteidigt.

Ohne Bundestag fehlt die Bühne

Wagenknecht war im Oktober 2023 nach langem Streit aus der Linken ausgetreten und hatte Anfang 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht gegründet. Bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Ostdeutschland 2024 fuhr das BSW aus dem Stand große Erfolge ein. Doch im Februar 2025 kam der Rückschlag: Das BSW verfehlte bei der vorgezogenen Neuwahl extrem knapp den Einzug in den Bundestag. Es kämpft um eine Neuauszählung der Stimmen, doch die Chancen sind ungewiss.

Wobei Wagenknecht sich auf der Pressekonferenz für einen potenziellen Fraktionsvorsitz ihrer Partei im Bundestag ins Spiel brachte. De Masi habe sich seinen Angaben nach schon mal einen Hausausweis besorgt, denn auch er sei überzeugt, dass Wagenknecht schon bald diesen Vorsitz übernehmen werde.

Nun fehlt Wagenknecht aktuell aber die politische Bühne. Eine Partei, die nicht im Bundestag sitzt, werde seltener in Talkshows eingeladen, sagte der Potsdamer Politikwissenschaftler und BSW-Spezialist Jan Philipp Thomeczek der dpa. Auch habe es eine "gewisse Abnutzung" der oft kontroversen Thesen der Parteichefin gegeben.

Experte: BSW 2024 "sehr hochgejubelt"

Die schwachen Umfragewerte erklärt Thomeczek so: "Es liegt vor allen Dingen daran, dass das BSW 2024 sehr hochgejubelt wurde. Das war einfach überschätzt, das kann man nicht anders sagen." In das Projekt seien große Erwartungen projiziert worden. "Und dann kam natürlich zum Teil auch die Ernüchterung."

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Trotzdem hält es der Parteienforscher für möglich, dass sich das BSW längerfristig etabliert, auch ohne Wagenknecht im Bundesvorsitz. "Ich denke, die Chance ist da", sagte Thomeczek. Sein Argument: Die Partei füllt mit ihrem Rechts-Links-Profil zwischen harter Migrationspolitik und starkem Sozialstaat eine Leerstelle.

Aber ob das reicht? Die Wette, die Wagenknecht mit ihrem Schritt eingeht, ist gewagt.

Verwendete Quellen

  • dpa
  • Pressekonferenz des BSW
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