Im Kreis Tübingen erkrankte eine Stute an der Tierseuche. Doch was ist Equine Infektiöse Anämie – auch ansteckende Blutarmut genannt – eigentlich? Und warum ist sie so gefährlich? Hier die wichtigsten Antworten.
Vor acht Jahren ging vor allem bei Besitzern von Polopferden die Angst um. Der Grund: Damals wurde in Deutschland bei elf Polopferden aus sieben Haltungen die anzeigepflichtige Tierseuche Equine Infektiöse Anämie festgestellt. Alle betroffenen Pferde mussten eingeschläfert werden. Danach schien es, als sei die Tierseuche aus Deutschland fast verschwunden. Lediglich Einzelfälle wurden noch bekannt. Bis jetzt. Denn noch ist unklar, ob die erkrankte Stute aus dem Kreis Tübingen ein Einzelfall ist.
Doch was ist die Equine Infektiöse Anämie, auch als ansteckende Blutarmut der Einhufer bekannt, eigentlich? Hier die wichtigsten Antworten.
Equine Infektiöse Anämie – der Erreger
Der Erreger ist das Equine Infektiöse Anämie Virus (EIAV), ein Virus der Gattung Lentivirus. Der Name Lentiviren leitet sich von dem lateinischen Wort "lentus", auf Deutsch: langsam, ab. Der Grund: Viele Lentiviren lösen langsam fortschreitende, chronisch degenerative Krankheiten aus. Und: Lentiviren sind sehr Spezies-spezifisch. So befällt beispielsweise das HI-Virus ausschließlich Menschen und das Feline Immundefizienz-Virus (FIV) ausschließlich Katzen.
Übertragung durch Mücken oder Bremsen
Das Virus wird durch das Blut infizierter Tiere übertragen. Das kann "über den direkten Kontakt mit Blut des erkrankten Tieres zum Beispiel durch unsachgemäße, mehrmalige Benutzung von Kanülen", geschehen, so die Schwarzwald-Tierklinik Neubulach. Meist wird die Equine Infektiöse Anämie durch den Stich von Insekten übertragen, zum Beispiel durch Mücken, Fliegen und Bremsen, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in der Schweiz. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) erklärt jedoch, dass eine Ansteckung etwa durch Bremsen nur in einem Umkreis von maximal 100 bis 200 Meter möglich ist.
Und: Das Virus kann auch mit Milch, Speichel, Harn und Kot sowie innerhalb der Gebärmutter oder durch den Deckakt übertragen werden. Denn: Auch im Samen eines Hengstes kann das Virus sein. Eine Übertragung von Tier zu Tier, etwa im Rahmen von Pferdesportveranstaltungen, ist möglich. Aber dann muss ein enger, langandauernder Kontakt stattgefunden haben.
Erreger bleibt lebenslang im Pferd
Das Fatale an der Equinen Infektiösen Anämie: Die meisten betroffenen Pferde zeigen keine Symptome. "In 30 bis90 Prozent der Fälle treten keine sichtbaren Krankheitssymptome auf, die Tiere bleiben gesund erscheinende Virusträger", so das FLI. Aber: "Infizierte Tiere bleiben lebenslang Virusträger und stellen potentielle Infektionsquellen dar." Der Grund: Die Viren lernen dazu. Genauer: Die Oberflächenstruktur des Virus ändert sich ständig – und entzieht sich so einer Immunantwort des Körpers und damit einer wirksamen Bekämpfung.
Und: Die Equine Infektiöse Anämie ist eine Tierseuche wie zum Beispiel das West-Nil-Virus. Das heißt: Sie muss gemeldet werden. Bei Bekanntwerden der Tierseuche werden alle Kontaktpferde getestet – und bei einem positiven Ergebnis auch getötet.
Equine Infektiöse Anämie – akut oder chronisch
Je nach Schweregrad der klinischen Symptome wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL):
Akute Erkrankung:
- Fieber
- Apathie
- Schwäche
- Ataxie
- Ikterus
- Tachykardie
- Arrhythmie
- petechiale Blutungen auf Schleimhäuten und Lidbindehäuten sowie insbesondere auf der Zungenunterseite
- seltene Todesfälle möglich
Chronische Erkrankung:
- Krankheitsschübe mit wiederkehrendem Fieber, Konditionsverlust, Anämie, Ödemen an Unterbauch und Extremitäten, Anämie
Ein Test weist das Virus nach
Besteht der Verdacht auf die Krankheit, kann eine Blutprobe Klarheit bringen. Denn: Die Diagnose der Equinen Infektiösen Anämie (EIA) erfolgt durch den Nachweis spezifischer Antikörper gegen das Virus im Blut des Pferdes. Hierfür wird hauptsächlich der sogenannte "Coggins-Test" eingesetzt, ein serologischer Bluttest. Alternativ kann auch ein ELISA-Test genutzt werden, Dieser Test gilt als empfindsamer und muss in Bayern durch einen Coggings-Test bestätigt werden. Das Ergebnis liegt bei diesem Test frühestens nach 48 Stunden vor.
Equine Infektiöse Anämie: Bei uns nur Einzelfälle
Hauptverbreitungsgebiete der für Einhufer unheilbaren Infektionskrankheit sind Nord- und Südamerika, Afrika, Asien, Australien sowie Süd- und Osteuropa. In Rumänien ist Krankheit endemisch und neue Fälle werden sporadisch gemeldet. Auch in Italien und in Frankreich tritt sie immer wieder auf. In der Schweiz ist die Krankheit im Juni 2017 zum ersten Mal seit 1991 wieder aufgetreten. Und in Deutschland gab es 2014 insgesamt 14 Fälle, darunter vor allem Polo-Pferde.
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Seitdem sind nur Einzelfälle bekannt. Meist sind importierte Pferde betroffen. Im Mai 2020 wurde zum Beispiel ein in Spanien geborenes Freizeitpferd positiv getestet. Im Jahr 2024 wurde die Krankheit bei einem aus Bulgarien stammendes Importpferd festgestellt. © Pferde.de