Deutsche Tugenden Back to the Butterbrot
In einem Interview bekannte Steffi Graf kürzlich, was sie in Las Vegas am meisten vermisse: ihren deutschen Bäcker. Das ist eine erwartbare Aussage, wie sie zu unserer Vorzeige-Ex-Sportlerin passt - bodenständig, ehrlich, knusprig. Wenn es eine typische deutsche Brotsorte gäbe - man sollte sie "Steffi" nennen.
Aber was ist bei über 300 deutschen Brotsorten typisch? Das lässt sich ebenso wenig festmachen, wie es den typisch französischen Käse (ebenfalls über 300 Sorten) gibt. Auf jeden Fall ist uns ein wenig Stolz in Sachen Grundnahrungsmittel erlaubt, auch wenn es immer weniger von jenen kleinen Fachbetrieben gibt, die das tun, was früher an fast jeder Straßenecke stattfand: Brot backen.
Die geknetete Idylle am Backofen ist längst passé. Private Kleinbäckereien, so man sie inmitten der Heizofen-"Aufbäcker" von Teiglingen noch findet, erinnern schon fast an schrullige Boutiquen für Kurzwaren oder Schrauben. Heute wird meist zentral gebacken, mit vorgefertigtem Sauerteig und dann an ein Filialnetz ausgeliefert: Das macht nichts, denn es kommt wie stets drauf an, was am Ende aus dem Ofen herauskommt. Und da sind Sie gefragt: Zeigen Sie Biss - geben Sie sich nicht mit dem Erstbesten, dem Billigsten zufrieden. Seien Sie Jäger und Sammler, gehen Sie auf Brotsafari!
Kulinarische Antiquitäten mit Aura
Über wenige Nahrungsmittel können wir uns in Deutschland so freuen wie über das Brot. Und es ist nicht allein das meist gerühmte dunkle, lang gebackene Vollkornbrot. Das volle Korn ist keine Qualität an sich: Manches steinharte, schwarze Biobrot reiht nur bröselig Korn an Korn, offenbar, um die Zahnqualität der Kunden zu testen - von Genuss keine Spur. Bio allein bringt gar nichts, wenn der Bäcker nicht backen kann.
Aber niemand muss zum Nussknacker werden: Allein die Roggen-dominierten Sauerteig-Graubrote, mit krosser Kruste und kräftig-saftiger Krume, die man ebenso gut ohne jede Zutat mit einem Glas frischer Milch genießen kann, können wunderbar sein. Auch Frühstücks-Antiquitäten haben ihre Aura: zurück zum Butterbrot!
Oft sind es gar keine nostalgischen Betriebe, die die beste Handwerksqualität liefern. Bundesweit geht auch beim Backen längst der Trend zur Professionalität. Seien es kleine Firmen wie der Demeter-Bäcker Bahde (ein kompaktes 17er-Team) in Hamburg-Finkenwerder oder die traditionsreiche "Hofpfisterei" in München mit rund 900 Mitarbeitern: Gut organisierte mittelständische Betriebe mit qualifizierten Angestellten und solidem Marketing können ihre Kunden finden. Dazu hat jeder bessere Supermarkt längst seinen "Back-Shop" optimiert, denn als kulinarische Kuschelecke wirkt so eine duftende Oase wie emotionales Korrektiv inmitten aller Schnäppchen-Hektik und Schlaumeier-Kunden-Ansprache.
Wenn es Sie diesen Sommer zur Freiluft-Skulptur-Ausstellung nach Münster fahren, testen Sie doch zum Beispiel mal das Repertoire der dort ansässigen, auch vom Fachblatt "Feinschmecker" gelobten Bäckerei Tollkötter. Sie steht für viele Betriebe, die noch nicht zu groß sind, um als Lebensmittel-Feinmechaniker durchzugehen und Qualität mit wirtschaftlicher Effizienz zu verbinden. Was in Franken das große, runde "Fränkische Doppelback" ist (dreieinhalb Kilo schwer, mit ein wenig Anis gewürzt), firmiert hier ohne Zusatzwürze als schlichtes "Hausbrot". Streichen Sie mal nicht die Sonderangebotsbutter aus dem Supermarkt drauf, sondern geben Sie ein wenig mehr aus - wobei es nicht gleich die teure normannische Butter aus Isigny sein muss. Solide Ökomarken wie die in vielen Supermärkten erhältliche "Füllhorn"-Butter tun es auch. Ergänzt durch (ebenso sorgfältig ausgewählte) Salami oder am besten aus Wildfleisch hergestellte Wurst-Ware (Hirsch, Wildschwein) haben Sie eine perfekte Delikatesse vor sich, zu deren Genuss weder Wein noch Bier vonnöten sind.
Comeback für Knäcke- und Abendbrot
Wenn Sie noch mehr für die Gesundheit tun möchten, probieren Sie doch mal wieder das derzeit nicht unbedingt angesagte Knäckebrot. Genau, das staubt zwar manchmal wie unter der Abrissbirne, eignet sich nicht für praktische Klappstullen und macht einen höllischen Lärm im gesamten Kopfbereich - aber nach der harten Anfangsphase entdecken Sie schnell die Qualitäten der nordischen Spezialität. Es ist wie mit Whisky: Erst Gewöhnung beschert Genuss und Unterscheidungsfähigkeit.
Und eine jahrhundertealte Tradition hat das Wellness-Brot auch. Knäcke ist von Haus aus Vollkorn und als solches Brot mit allen Vorteilen dieser Spezies gesegnet: Perfekt für die Verdauung (Ballaststoffe), hervorragend bekömmlich (gut fürs Cholesterin, vorbeugend für Diabetes)und nährstoffreich, dazu kräftig im Geschmack. Eine kurze Backzeit (wenige Minuten nur!) schont zudem die Vitamine. Auch hier können Sie "Korn-Exoten" ausprobieren: etwa Knäcke aus selteneren Getreidesorten wie Amaranth (gut mit Roggen kombinierbar), Quinoa oder natürlich Dinkel, der als Brot-Korn inzwischen gut verbreitet ist. Mit vielfältigen Geschmacksrichtungen wirken neue Produkte hier der vermeintlichen Knäcke-Ödnis entgegen. Käse-, Zwiebel- oder Saaten-Knäcke schmeckt dann zwar nicht mit jeder Wurst und jedem Käse, aber vielleicht wollen Sie ja das delikate Backwerk auch ganz einfach nebenbei verknuspern - gesünder als fettiger Knabberkram aus Tüte ist es allemal, trotz des Energiereichtums.
Doch viel netter, als abends vor dem Fernseher nebenbei Essbares in sich hineinzubröseln, wäre es, eine typisch deutsche Tradition wieder zu beleben: das "Abendbrot". Die meisten europäischen Länder essen abends "warm", bei uns gab es lange Zeit den archaischen Treff um den Küchentisch. Warum also nicht: Kaufen Sie ein paar bodenständige Delikatessen ein, und bitten Sie Freunde zu Tisch - vielleicht wird das "Abendbrot" der Renner der nächsten Saison?