Afghanistan: Von Isaf zu "Resolute Support"
Nato-Truppen in Afghanistan Eine Mission endet, die Kämpfe flammen auf
Die Provinz Helmand im Süden Afghanistans gehörte während des 13 Jahre dauernden Isaf-Einsatzes zu den berüchtigten Unruheherden des Landes. Die letzte Nachricht des Jahres 2014 aus dieser Gegend passt ins Bild: Mindestens 20 Menschen starben, unter ihnen viele Frauen und Kinder, über 50 Menschen wurden verletzt, nachdem eine Rakete auf einer Hochzeitsfeier im Distrikt Sangin einschlug.
Die Rakete wurde allerdings nicht von den Taliban abgefeuert, die in der Gegend eine ihrer Hochburgen haben, sondern von einem Stützpunkt der afghanischen Nationalarmee abgeschossen.
Einen Tag später feiert der im vergangenen Jahr neugewählte afghanische Präsident Ashraf Ghani in der Hauptstadt Kabul die endgültige Übernahme der Sicherheitsverantwortung für sein Land und bedankt sich in seiner Neujahrsansprache bei den westlichen Truppen für ihren Einsatz.
Gleichzeitig läuft am 1. Januar die Isaf-Nachfolgemission "Resolute Support" an: Der neue Kernauftrag beschränkt sich auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte. Es können aber weiterhin Soldaten - auch Spezialkräfte - zur Evakuierung von Soldaten und Zivilisten eingesetzt werden. Damit bleibt der Einsatz gefährlich. Es ist auch damit zu rechnen, dass die USA weiterhin auf eigene Faust etwa mit Kampfdrohnen gegen die Taliban vorgehen. Insgesamt sollen 12.000 ausländische Soldaten im Land bleiben, darunter bis zu 850 deutsche.
Das Ende der ersten Nato-Mission Isaf und der Beginn der neuen, kleineren Mission "Resolute Support" bedeutet für die Afghanen bei Weitem nicht das Ende der Kampfhandlungen - oder gar des Krieges. Im Gegenteil: Die Sicherheitslage hat sich in letzter Zeit deutlich verschlechtert, nicht nur im Süden des Landes.
Kämpfe über Ländergrenzen hinweg
Das liegt auch daran, dass sich die Taliban über Ländergrenzen hinweg bewegen. Sie ziehen sich bei Bedarf in das schwer zugängliche Grenzgebiet zu Pakistan zurück und greifen von dort aus an.
Deshalb gehen viele Beobachter davon aus, dass Afghanistan letztlich nur befriedet werden kann, wenn auch in den Stammesgebieten in Pakistan Frieden eingekehrt ist. Die Isaf-Mission konzentrierte sich aber immer nur auf einen Staat - kaum vorstellbar, dass so der Konflikt einer ganzen Region gelöst werden kann.
In der im Fernsehen übertragenen Ansprache forderte Präsident Ghani die Afghanen auf, ihre Sicherheitskräfte zu unterstützen, um ein starkes und friedliches Afghanistan aufzubauen. Die Truppen wurden zuvor noch schnell auf 350.000 Mann aufgestockt.
Gleichzeitig warnte er: "Wir werden nicht zulassen, dass von unserem Grund und Boden aus gegen unsere Nachbarn vorgegangen wird, und wir erwarten dasselbe von unseren Nachbarn." Er bezog sich auf die Angriffe der Taliban auf afghanische und internationale Truppen vom Nachbarland Pakistan aus.
In den südlichen Provinzen wie Helmand wird nach dem Abzug der dort stationierten Briten und Amerikaner gekämpft. In dem Distrikt Sangin, wo die Hochzeitsgesellschaft unter Beschuss geriet, kam es in den vergangenen sechs Monaten immer wieder zu schweren Gefechten, seit die letzten internationalen Truppen aus den Feldlagern abzogen.
Hier geht es nicht nur um religiöse Deutungshoheit und Machtansprüche, sondern um wirtschaftliche Interessen. Die Region entlang des Tals des Flusses Helmand ist ein wichtiges Mohn-Anbaugebiet. Die Aufständischen müssen ihren Kampf finanzieren.