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Röntgenlaser enthüllt neuartige Wassereis-Form

Astronomie|Physik

Röntgenlaser enthüllt neuartige Wassereis-Form
Wassermoleküle
Bei Raumtemperatur und Normaldruck sind Wassermoleküle nur lose gebunden – Wasser ist flüssig, wie hier zu sehen. Doch unter Hochdruck können exotische Wassereis-Varianten entstehen. © Emilija Randjelovic/ iStock

Wassereis ist nicht gleich Wassereis, denn Wasser kann in ganz unterschiedlichen Strukturformen auskristallisieren. Jetzt haben Forschende eine neue Variante entdeckt – die inzwischen schon 21. Kristallform des Wassers. Dieses Eis XXI entsteht, wenn Wasser innerhalb weniger Millisekunden mit einem Druck von zwei Gigapascal komprimiert wird. Unter diesen Bedingungen bilden die Wassermoleküle schon bei Raumtemperatur ein festes Gitter mit tetragonaler Kristallstruktur, das aus überraschend großen Elementarzellen aufgebaut ist, wie das Team bei Analysen im Röntgenlaser feststellte. Diese metastabile Eisform und ihre Entstehungsbedingungen könnten darauf hindeuten, dass Wasser auch noch andere kristalline Hochdruck-Phasen ausbilden kann.

Wasser hat gleich mehrere chemische und physikalische Eigenheiten, darunter die Dichteanomalie, die Eigendissoziation und die Fähigkeit, Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen auszubilden. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Tatsache, dass Wasser je nach Temperatur und Druck in ungewöhnlich viele verschiedene Strukturvarianten auskristallisieren kann. Die Spanne reicht vom normalen hexagonalen Eis der Schneekristalle über quadratische Formen bis zu käfigartigen Strukturen. Forschende kannten bisher 20 verschiedene solcher Eisphasen – Eis I bis Eis XX – und vier amorphe Eisvarianten.

High Energy Density (HED) Instrument
In dieser Anlage, dem High Energy Density (HED) Instrument, hat das Team die neue Wassereis-Variante Eis XXI erzeugt. © European XFEL

Neuartige Gitterform bei 1,6 Gigapascal Druck

Jetzt ist eine 21. Kristallform dazu gekommen. Identifiziert hat diese neue Eisphase ein Team um Yun-Hee Lee vom Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS) in Daejeon bei Experimenten im Röntgenlaser des European XFEL. Für ihr Experiment platzierten die Forschenden eine kleine Wasserprobe in einer Diamantstempelzelle – einer kleinen Probenkammer zwischen zwei Diamantpressen, mit denen extreme Drücke erzeugt werden können. Dann komprimierten sie das Wasser innerhalb von zehn Millisekunden auf den enormen Druck von zwei Gigapascal – das entspricht etwa dem 200.000-fachen Atmosphärendruck – und entspannten die Probe direkt danach wieder. Während der Zyklen nutzten Lee und sein Team die ultrakurzen Röntgenblitze des European XFEL, um jede Mikrosekunde einen Schnappschuss des Wasserzustands aufzunehmen. Die Beugung des Röntgenlichts verrät dabei, in welcher Anordnung die Wassermoleküle in diesem Moment vorliegen. Eigentliches Ziel der Versuche war es, Wasser in die Phase Eis VI zu bringen. Von dieser stark verzerrten Eisstruktur nimmt man an, dass sie unter anderem im Inneren von Eismonden wie Titan und Ganymed vorkommt.

Doch im Experiment zeigte sich, dass vor der Entstehung von Eis VI noch andere, nur vorübergehend stabile Strukturvarianten des Wassers entstehen. „Mit den einzigartigen Röntgenpulsen des European XFEL haben wir mehrere Kristallisationswege des Wassers entdeckt“, berichtet Lee. Wie er und seine Kollegen feststellten, entsteht bei einem dieser Wege für kurze Zeit eine zuvor unbekannte Kristallisationsform des Wassers. Diese existiert bei 1,6 Gigapascal und Raumtemperatur. „Das Röntgenbeugungsmuster dieser Eisphase passt zu keiner der bekannten Eisphasen I bis XXX“, schreiben die Forschenden. Damit haben sie eine weitere, Eis XXI getaufte Eisform entdeckt. Nähere Analysen enthüllten, dass diese neu entdeckte Strukturvariante des Wassers eine tetragonale Kristallstruktur besitzt, die aus überraschend großen Elementarzellen aufgebaut ist: Eine einzige dieser Grundeinheiten im Gitter umfasst 152 Wassermoleküle. Zudem ist diese Eisphase metastabil. Das bedeutet, dass sie kurze Zeit existiert, obwohl unter diesen Bedingungen eigentlich eine andere Form von Eis stabiler wäre.

Es könnte noch andere metastabile Eisformen geben

Die Ergebnisse dieses Experiments und die neu entdeckte Wassereis-Variante liefern damit neue Einblicke darin, wie sich verschiedene Eisphasen bilden und sich mit dem Druck verändern. „Durch schnelle Kompression bleibt Wasser auch bei höheren Drücken flüssig, bei denen es eigentlich bereits zu Eis VI kristallisieren müsste“, erklärt Seniorautor Geun Woo Lee vom KRISS. „Die Struktur, in der flüssiges Wasser dann kristallisiert, hängt vom Grad der Überkompression der Flüssigkeit ab. Dabei durchläuft die Kristallisation mehrere Schritte und Kristallisationswege.“ Die neuen Ergebnisse legen zudem nahe, dass es bei Raumtemperatur und Hochdruck noch weitere kurzlebige, bisher unentdeckte Eisformen des Wassers geben könnte. Deren Erforschung könnte wertvolle Erkenntnisse auch zu den Eisformen liefern, die im Inneren der Eismonde des Sonnensystems und anderen Himmelskörpern vorkommen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei hohen Temperaturen möglicherweise eine größere Anzahl von metastabilen Eisphasen und damit verbunden Übergangswege gibt, die neue Einblicke in die Zusammensetzung von Eismonden bieten könnten“, sagt Co-Autorin Rachel Husband vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg.

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Quelle: Yun-Hee Lee (Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS), Daejeon) et al., Nature Materials, doi: 10.1038/s41563-025-02364-x

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