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Insulin: Pflaster statt Spritze?

Gesundheit|Medizin

Insulin: Pflaster statt Spritze?
Insulinspritze
Bisher müssen sich Patienten mit Diabetes Typ-1 oder starkem Typ-2-Diabetes Insulin spritzen. © richcano/ iStock

Viele Diabetiker müssen sich regelmäßig Insulin spritzen, um ihren Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Schon lange arbeiten Forschende an Möglichkeiten, die Spritzen durch weniger invasive Methoden wie Pflaster zu ersetzen. Das Problem dabei: Unsere Haut bildet eine dichte Barriere für große Moleküle wie Insulin. Doch nun haben Forschende diese Hürde gemeistert. Dazu koppelten sie Insulin an ein sogenanntes Polyzwitterion namen OP, das den sich ändernden pH-Gradienten der Haut ausnutzt, um verschiedene Hautschichten zu durchdringen. Auf diese Weise verabreichtes Insulin passierte in Tests die Hautbarriere von Mäusen und Minischweinen und brachte deren Blutzuckerspiegel erfolgreich auf das gewünschte Niveau. Damit eröffnet die Studie neue Wege für die Entwicklung von Insulinpflastern für menschliche Diabetiker.

Eine Verabreichung über die Haut ist für Patienten ein bequemer, niederschwelliger Weg, Medikamente zu sich zu nehmen – seien es lokale Schmerzmittel, Hormone zur Empfängnisverhütung oder Nikotin-Pflaster zur Rauchentwöhnung. Alle diese Wirkstoffe sind so klein, dass sie die Haut durchdringen können. „Für große Moleküle galt dieser Weg jedoch aufgrund der enormen Barriere, die die Hautstruktur darstellt, lange Zeit als unmöglich“, erklärt ein Team um Qiuyu Wei von der Zhejiang University in China. Das betrifft auch Insulin, das sich Tag für Tag allein in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen spritzen müssen. Für viele sind die Spritzen sehr unangenehm und lösen teilweise sogar Phobien aus. Seit langem tüfteln Forschende deshalb an weniger invasiven Verabreichungsmethoden – beispielsweise über Pflaster, die mit winzigen Mikronadeln gespickt sind.

Transfer durch die Haut

Wei und sein Team haben nun eine Möglichkeit gefunden, Insulin ganz ohne Nadeln durch die Haut in den Blutkreislauf zu befördern. Der Schlüssel liegt in einem sogenannten Polyzwitterion, das den komplizierten Namen Poly[2-(N-Oxid-N,N-Dimethylamino)ethylmethacrylat], kurz OP, trägt. Dieses OP hat eine besondere Eigenschaft: Je nach pH-Wert ist es entweder neutral, positiv oder negativ geladen. Dadurch ist es in der obersten Hautschicht, die einen sauren pH-Wert hat, positiv geladen. So kann es mit den Fettsäuren dieser Hautschicht interagieren und die erste Barriere durchdringen. Darunter, in der Epidermis und der Dermis, herrscht dagegen ein neutraler pH-Wert. In dieser Umgebung ist auch OP neutral. „Dadurch kann es auf den Zellmembranen ‚hüpfen‘ und die Epidermis und die Dermis effizient durchqueren“, erklären die Forschenden. „Auf diese Weise gelangt es schließlich in den systemischen Kreislauf.“

Der Clou: OP lässt sich mit anderen Molekülen beladen und nimmt diese auf seiner Reise von der Hautoberfläche bis in die Blutbahn mit. Wei und seine Kollegen koppelten Insulin an OP und brachten diese Kombination auf die Haut von Mäusen und Minischweinen mit Diabetes auf. Tatsächlich passierte das an OP gebundene Insulin problemlos die Hautbarriere und verteilte sich in der Blutbahn. Es band erfolgreich an die Insulinrezeptoren der Versuchstiere und senkte ihren Blutzuckerspiegel innerhalb von ein bis zwei Stunden in den Normalbereich – ähnlich schnell wie gespritztes Insulin.

Wirksame Kontrolle des Blutzuckers

Im Vergleich zu gespritztem Insulin bot das über die Haut aufgenommene OP-Insulin sogar einen Vorteil: Es reicherte sich in Geweben wie der Leber, dem Fettgewebe und den Muskeln an, die alle eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels spielen. Dadurch hielt seine Wirkung länger an als bei gespritztem Insulin, wie Wei und sein Team feststellten. Unerwünschte Nebeneffekte beobachteten die Forschenden nicht. Auch die Haut der Tiere blieb unbeschädigt und wurde nicht gereizt. „Das OP-Insulin durchdrang die Haut völlig nicht-invasiv und ohne Irritationen auszulösen“, berichtet das Forschungsteam. „Auch wiederholte Anwendungen verursachten keine strukturellen Veränderungen, keine Vergrößerung der Spalten zwischen den Zellen und keine Anzeichen von Entzündungen oder Zelltod.“

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Aus Sicht der Forschenden stellt ihre Entdeckung einen aussichtsreichen Weg dar, wie Insulin über die Haut verabreicht werden kann. „Das könnte Patienten mit Diabetes von subkutanen Injektionen befreien“, schreiben sie. Bevor die Technik allerdings beim Menschen zum Einsatz kommen kann, sind weitere Studien erforderlich, um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit sicherzustellen und eine präzise, auf die Patienten abgestimmte Dosierung zu ermöglichen. Sollte sich das Verfahren bei Insulin tatsächlich als erfolgreich erweisen, könnte es auch für andere Therapeutika in Frage kommen, die bislang als zu groß gelten, um die Haut zu durchdringen.

Quelle: Qiuyu Wei (Zhejiang University, China) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-025-09729-x

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