Wie Israel den Waffenstillstand in Gaza zerstört

Paul R. Pillar
Hinderttausende Menschen laufen dicht gedrängt an einem Strand entlang.

Vertriebene Palästinenser kehren nach dem Waffenstillstand im Januar 2025 und in den Norden des Gaza-Streifens zurück. Foto: Anas Mohammed, shutterstock.

Israel bleibt straflos, während die Zahl der Waffenstillstandsverstöße steigt. Am 7. Dezember wurde die Teilung von Gaza verkündet. Ein Gastbeitrag.

Im Gazastreifen gibt es keinen Waffenstillstand, obwohl ein am 9. Oktober erreichtes Abkommen angeblich einen solchen etabliert hat.

Der israelische Angriff auf den Streifen geht weiter, wenn auch in geringerem Tempo als in den vergangenen zwei Jahren. Einer Zählung zufolge hat Israel zwischen dem 10. Oktober und dem 2. Dezember 591 Mal den Waffenstillstand verletzt – durch eine Kombination aus Luft- und Artillerieangriffen sowie direkten Schüssen.

Das Gesundheitsministerium in Gaza berichtet, dass in diesem Zeitraum 347 Palästinenser getötet und 889 verletzt wurden. Das Muster von Opfern unter Frauen, Kindern und auch Journalisten setzt sich fort.

Weiterhin Opfer unter Frauen, Kindern, Journalisten

Unser Gastautor Paul R. Pillar

Währenddessen sind im selben Zeitraum kaum israelische Opfer im Gazastreifen dokumentiert, abgesehen von einem frühen Schusswechsel in Rafah, bei dem Israel sagt, ein Soldat sei getötet worden, während Hamas erklärt, damit nichts zu tun zu haben.

Welche Einsatzregeln Israel sich während dieses "Waffenstillstands" gegeben hat, zeigt die Tötung zweier Palästinenser am vergangenen Wochenende entlang der "Gelben Linie" nahe Chan Yunis.

Das israelische Militär erklärte, seine Kräfte hätten "zwei Verdächtige identifiziert", die "verdächtige Aktivitäten ausgeführt" hätten, woraufhin "die Luftwaffe – gelenkt von Bodentruppen – die Verdächtigen eliminierte, um die Bedrohung zu entfernen". Die "Bedrohung" bestand aus zwei Jungen im Alter von 9 und 10 Jahren, die ihr Zuhause verlassen hatten, um Holz zu sammeln.

"Völlige Missachtung des Waffenstillstandsabkommens"

Dasselbe Muster israelischen Verhaltens zeigt sich im Libanon, wo im November 2024 ein Waffenstillstandsabkommen erreicht wurde. Die UN‑Interimsstreitkraft im Libanon (UNIFIL) hat mehr als 7.500 Luftraumverletzungen und fast 2.500 Bodenverletzungen durch Israel dokumentiert, die der UN‑Sonderberichterstatter als "völlige Missachtung des Waffenstillstandsabkommens" bezeichnet.

Die israelische Haltung gegenüber Waffenstillständen zeigte sich auch nach einem Abkommen im Januar dieses Jahres über einen Waffenstillstand in Gaza und einen teilweisen Gefangenenaustausch. Israel begrüßte einige freigelassene Geiseln und nutzte die Atempause für seine Streitkräfte, bevor es im März den Waffenstillstand beendete und den Großangriff wieder aufnahm.

Offensichtlich hatte die israelische Regierung nie die Absicht, die späteren Phasen dieses Abkommens umzusetzen.

Palästinenser ignoriert

Abgesehen davon, dem Waffenstillstand zuzustimmen, waren Hamas oder andere Palästinenser nicht an dem aktuellen 20‑Punkte‑"Friedensplan" für Gaza beteiligt. Die Trump‑Administration entwarf ihn, wobei das Ausmaß israelischen Einflusses unklar blieb, das Ergebnis aber klar Israel bevorzugt. Hamas lehnt den Plan daher ab und verweist unter anderem darauf, dass er die Palästinenser einer Fremdherrschaft unterstellt.

In Gaza würde diese Fremdherrschaft ein internationales Gremium einschließen, angeführt von einem entschiedenen Unterstützer Israels: Donald Trump. Das einzig weitere namentlich genannte potenzielle Mitglied ist der ehemalige britische Premierminister Tony Blair, der unter Arabern aufgrund seiner Rolle beim US‑Einmarsch in den Irak 2003 und seiner späteren Tätigkeit als internationaler Gesandter im Nahostkonflikt umstritten ist.

Hamas nennt weitere Aspekte, in denen der Plan stark gegen palästinensische Interessen gerichtet ist, darunter solche, die eine internationale Stabilisierungstruppe betreffen. "Der internationalen Truppe Aufgaben und Rollen innerhalb des Gazastreifens zuzuweisen, einschließlich der Entwaffnung des Widerstands", so Hamas, "nimmt ihr die Neutralität und macht sie zu einer Partei des Konflikts zugunsten der Besatzung."

Angesichts der Tatsache, dass der Plan stark Israel begünstigt, könnte man annehmen, dass die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu eher geneigt wäre, ihn vollständig umzusetzen als das Abkommen vom Januar.

Teile des Gazastreifens auf unbestimmte Zeit besetzen

Doch einer der Hauptvorteile für Israel besteht darin, Israel zu erlauben, Teile des Gazastreifens auf unbestimmte Zeit zu besetzen, wenn bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind – und Israel selbst entscheiden zu lassen, ob diese Bedingungen erfüllt wurden. Der Plan schafft die Grundlage dafür, dass Israel erklären kann, es müsse nicht nur die Besatzung, sondern auch seine tödlichen Militäroperationen fortsetzen.

Die wichtigste Bedingung ist die Entwaffnung der Hamas – etwas, das Netanjahu in seiner Rhetorik betont. Da Hamas signalisiert hat, auf eine direkte Regierungsrolle in Gaza zu verzichten, käme eine vollständige Entwaffnung der faktischen Umsetzung von Netanjahus früher erklärtem Ziel gleich, Hamas zu "zerstören".

Es überrascht kaum, dass ein Ziel der Zerstörung nicht bereit ist, alle seine Waffen abzugeben. Besonders wenig überraschend ist dies im Fall der Hamas, da sie nicht am Entwurf des Plans beteiligt war.

Und während der Text eine "Garantie" fordert, dass Hamas ihren Verpflichtungen nachkommt, enthält er weder etwas über israelische Verstöße [gegen den Waffenstillstand] noch über die Tatsache, dass Israel um ein Vielfaches mehr Tod und Zerstörung verursacht hat, als Hamas.