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Viva Britannia – Der Inselpodcast mit Sven Brutloff
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Herzlich willkommen zu Folge 65 von Viva Britannia, dem Podcast über Großbritannien und die
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In vergangenen Episoden habe ich schon viele Einblicke in die Geschichte der Insel gegeben,
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in ihre Herrscher, Politiker, Wissenschaftler und Kulturschaffenden.
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Es gingen viele Schriftsteller, einige Musiker und gelegentlich Schauspieler.
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Nur über Maler habe ich bisher noch nicht gesprochen.
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Heute will ich das ändern und euch eine erste Auswahl der bekanntesten und interessantesten
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Maler der britischen Geschichte näher bringen.
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Wenn wir heute an britische Maler denken, fällt den meisten zunächst wohl nur William
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Das ist gar nicht mal die schlechteste Assoziation, wie wir später sehen werden.
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Aber ist es nicht seltsam, dass für uns die Wahrnehmung britischer Malerei erst im 18.
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Jahrhundert beginnt?
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Tatsächlich ist aus den Jahrhunderten davor nur wenig erhalten geblieben.
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Im Mittelalter war England besonders für Buchmalerei und Tafelbilder bekannt.
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Schon die Angelsaxen taten sich durch aufwendig gestaltete Handschriften hervor und aus der
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Zeit der Normanden gibt es noch einige beeindruckende Werke.
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Darunter ist zum einen die Winchester Bible, die größte erhaltene Bibel aus dem zwölften
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Jahrhundert, mit Seiten, die 60 x 40 cm groß sind.
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Man vermute, dass allein für das Pergament der Bibel rund 250 Kälber ihre Haut lassen
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Das älteste erhaltene Tafelbild der Insel ist das Westminster Retable, das im 13.
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Jahrhundert vermutlich für den Hochaltar der Abtei Westminster gemalt wurde und dort heute
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noch restauriert zu besichtigen ist.
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Man sieht, wie in weiten Teilen Europas war die Malerei des Mittelalters auch auf der Insel
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im Wesentlichen religiöser Natur.
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Nur war die protestantische Reformation im 15.
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Jahrhundert woanders kaum so vehement wie in England.
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Die katholischen Kirchen wurden enteignet und in weiten Teilen zerstört und die religiöse
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Kunst gleich mit ihnen.
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Dieser sogenannte Bildersturm hielt auf der Insel lange Zeit an.
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Während der Renaissance und bis hinein ins 18.
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Jahrhundert erfreute sich die britische Oberschicht natürlich durchaus an Malerei und begann Bilder
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zu sammeln, aber die gefragten Künstler kamen fast alle vom Kontinent, vor allem aus Flandern
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Schon unter Heinrich VIII. war Hans Holbein die jüngere Hofmaler gewesen und produzierte
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einige der bekanntesten Porträts dieser Zeit.
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Peter Paul Rubens besuchte England oft, sowohl als Diplomat als auch als Künstler.
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Die Universität Cambridge fürdief ihm einen Ehrenmaster und könig Schalz I.
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Schluck Rubens zum Ritter.
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Überhaupt war Schalz I.
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ein bedeutender Kunstsammler.
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Er soll letztlich über 1700 Gemälde besessen haben, darunter Werke von Titian, Raphael,
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Caravaggio, Da Vinci, Tintoretto, Bräugel, Dürer und Rembrandt.
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zum Ende des englischen Bürgerkriegs 1649 hingerichtet worden war, löste das Parlament
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seine Kunstsammlung auf und sie wurde in alle Winde zerstreut.
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Man sieht, in dieser Zeit war der englische Kunstgeschmack vom Kontinent beherrscht.
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Die sogenannte "Grand Tour" wurde zum festen Bestandteil des Lebens jedes wohlhabenden
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Nach Abschluss der Universität reiste man, je nach persönlichem Geldbeutel, für mehrere
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Monate oder gar Jahre auf einer recht einheitlichen Route vor allem durch Frankreich und Italien,
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auf der Suche nach Kunst, Kultur und den Wurzeln der westlichen Zivilisation.
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Die reiselustigen Gentlemen verkehrten dabei in den besseren Kreisen Europas, sie besserten
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ihre Sprachkenntnisse auf und sie beauftragten das eine oder andere Gemälde.
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Das klingt nicht nur dekadent, sondern war sicherlich auch so.
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Dennoch darf man nicht vergessen, so etwas wie Wanderausstellungen oder fotografische
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Reproduktion gab es damals natürlich noch nicht.
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Wenn man also bestimmte Kunstwerke erleben wollte, musste man schon selbst zu ihnen reisen.
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Und so kam es, dass ab dem 18.
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Jahrhundert endlich auch wieder britische Künstler bekannter wurden, die auf der Erfahrung
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der kontinentalen Kunstströmungen aufbauten und ihnen ihren eigenen Anstrich gaben.
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Der erste bekannte englische Maler dieser Zeit ist James Thornhill.
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Er wurde um 1675 geboren und ging unter anderem bei italienischen und französischen Barockmalern
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in die Leere, die auf der Insel Gebäude mit Wandgemälden verzierten.
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In Viva Britannia Folge 51, der ersten diesen Jahres, hatte ich das Greenwich Hospital erwähnt.
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In Greenwich, am südlichen Thamesufer, stand lange Zeit ein königlicher Palast, in dem
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unter anderem Hanrich der 8.
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Nach dem vorhin erwähnten englischen Bürgerkrieg wurde die ganze Anlage umgestaltet und Königin
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Mary II. ließ anstelle des inzwischen ungenutzten Palastes ein Krankenhaus für Seeleute errichten.
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Die Gebäude des Greenwich Hospitals wurden von dem bekannten Architekten Christopher
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Wren entworfen, Anfang des 18.
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Jahrhunderts errichtet und gelten heute als UNESCO-Weltkulturerbe.
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Zu der ehemaligen Klinik gehörte auch eine große Halle, die einmal als Speisesaal für
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pensionierte Seeleute gedacht war, die auf dem Gelände lebten.
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Für die Innendekoration dieser Halle suchte man damals, nach Maßgabe des Erzbischofs von
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Canterbury, einen protestantischen englischen Maler.
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Und so schuf James Thornhill über einen Zeitraum von 20 Jahren sein bekanntestes Meisterwerk.
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Er bedeckte die Wände und Decken des Saals mit einer Gesamtfläche von über 4200 Quadratmetern
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in unzähligen figurlichen Darstellungen, die in typisch barocken Symbolismus Themen wie
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die Monarchie, Religion und Seefahrt behandelten.
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Heute kennt man diesen Saal einfach als "Painted Hall" und bezeichnet sie auch gerne als jesigstinische
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Kapelle des Vereinigten Königreichs.
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machte James Thornhill zum Hofmaler und schlug ihn als ersten englischen Maler der Geschichte
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Weitere von Thornhills Werken sind an den Decken und Wänden unter anderem des Imports
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Cathedral London sowie in vielen privaten Residenzen der Insel zu bewundern.
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Die Painted Hall in Greenwich wird derzeit mit gewaltigem Aufwand komplett restauriert,
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ist für Besucher aber dennoch weiterhin zugänglich.
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Von James Thornhill ist der persönliche Weg nicht bei zu William Hogarth.
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Der war nicht nur ein Schüler Thornhills, sondern auch sein Schwiegersohn.
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Künstlerisch ging Hogarth aber in eine ganz andere Richtung als sein Schwiegervater.
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Hogarth kam aus einfachen Verhältnissen und war gelernter Kupferstecher.
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Er malte zwar auch immer wieder in Öl, meiste aber um die Bilder anschließend selbst als
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Kupferstich zu kopieren oder er bat seine Schüler das für ihn zu tun.
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Durch die immer weiter zunehmende Verbreitung des Buchdrucks gewannen sowohl Kupferstich-Illustrationen
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in Büchern, aber auch Drucke von Kupferstichen als alleinstehende Kunstwerke an Bedeutung.
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Schon früh nutzte William Hogarth sein Handwerk, um die gesellschaftlichen Probleme seiner
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Zeit satirisch darzustellen.
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Am bekanntesten sind seine ab 1730 entstandenen moralischen Bilderfolgen im englischen Modern
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Hierin zeigt an einer Serie von Kupferstichen zum Beispiel den Lebensweg einer Prostituierten,
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der mit einem Mädchen, das vom Land in die Stadt kommt, beginnt und mit ihrem Tod an
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einer Geschlechtskrankheit endet.
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Solche sequenzielle Kunst, die in mehreren Bildern eine Geschichte erzählt, war damals
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William Hogarth gitt damit nicht nur als einer der ersten westeuropäischen Karikaturisten,
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sondern auch als einer der Urväter des Comics.
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In späteren Werken nahm Hogarth zum Beispiel die Heiratspraxis der besseren Gesellschaft
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seiner Zeit aufs Korn, die meist nur statusorientiert war und zu vielen unglücklichen Ehen führte.
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Die Gemäldeserie "Marriage à la Maud" ist heute in der National Gallery zu sehen.
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Hogarth mahnte mit Kupferstichen wie Beer Street und Gin Lane aber auch vor dem zunehmenden
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Alkoholismus der Bevölkerung.
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Man verhutete heute, dass Hogarth diese speziellen Stiche auf Wunsch seines guten Freundes Henry
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Fielding geschaffen hat.
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Ja genau, dem Henry Fielding aus der letzten River Britannia Folge der erst Satiriker
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war, dann einer der bedeutendsten Friedensrichter Londons und der in diesem Amt auch gegen
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die Verbrechen in Folge des zunehmenden Gin-Konsums vorging.
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Apropos Verbrechen.
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Die Rechtsgeschichte der Insel hat William Hogarth auch einen bedeutenden Schritt im
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Urheberrecht zu verdanken.
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Bis 1710 lag das Recht zur Verbreitung von Büchern grundsätzlich bei den buchdruckenden
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Verlegern, aber nicht bei den Buchautoren.
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So kam es immer wieder vor, dass Verleger Bücher von Autoren verbreiteten, die dazu
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gar nicht ihr Einverständnis gegeben hatten und auch kein Geld dafür sahen.
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Mit dem sogenannten "N Statute", benannt nach der damals herrschenden Königin N, schuf
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das britische Parlament das erste Urheberrechtsgesetz der Welt und stärkte die Rechte der Autoren.
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Jemandem wie William Hogarth half das aber nicht.
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Die von ihm geschaffenen Kupferstiche wurden auf der Insel und europaweit sehr oft und
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oft sehr schlecht kopiert.
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Da er kein Autor war und sein Werk kein Buch, galt das neue Gesetz für ihn nicht.
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William Hogarth setzte sich daher vehement für eine Ausweitung des Gesetzes ein.
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Von 1735 wurde mit dem "Engravers Act", dem Kupferstiche Erlass, den Schöpfern visueller
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Werke ähnliche Rechte zugestanden, die Buchautoren.
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Umgangssprachlich ist dieses Erlass auch als "Hogarth Act" bekannt.
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James Thornell war also für barocke Raumgestaltung bekannt und William Hogarth für satirische
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Die beiden vorherrschenden Genres dieser Zeit waren jedoch ernsthafte Portraits und Landschaften.
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Thomas Gainsborough gilt als einer der wichtigsten Porträmailer der Insel.
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Er kam zur Lehre nach London und bewegte sich dort unter anderem im Umfeld von Hogarth, zog
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dann aber erst einmal mit seiner Familie nach Bath.
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Dort schaffte Gainsborough, sich mit Portraits lokaler Prominenta einen Namen zu machen.
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In 1770 malte er sein bekanntestes Portrait "The Blue Boy", den Knaben in blau.
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Das Bild stellt den 18-jährigen Jonathan Buttle dar, den Sohn eines reichen Eisenwarenhändlers,
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der mit Gainsborough befreundet war.
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Der Junge trägt ein schancierend blaues Kostüm im Stil des 17.
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Diese Darstellung ist zum einen ein Hommage von Gainsborough an sein großes flämisches
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Vorbild "Antonis van Dyck", der den Porträtstil der Briten maßgeblich geprägt hat.
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Van Dyck hatte mehr als 100 Jahre zuvor einen Knaben in einem ganz ähnlichen roten Kostüm
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Gleichzeitig soll das Bild aber auch ein Schlag ins Gesicht von Gainsboroughs Rivalen
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Joshua Reynolds gewesen sein.
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Der hatte angeblich behauptet, dass sich die Farbe blau nicht als zentrales Element in
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einem Bild verwenden lasse.
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Wenn er das wirklich behauptet hat, wurde er durch Gainsborough klar widerlegt.
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Der Knabe in blau wurde so bekannt, dass er heute in der Popkultur noch fast so häufig
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zitiert wird wie die Mona Lisa.
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Jonathan Buttle hat das Bild jedoch kein Glück gebracht.
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Er ging irgendwann pleite und musste sein Porträt verkaufen.
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1921 kam das Bild schließlich in den Besitz des amerikanischen Eisenbahnpioniers Henry
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Er zahlte eine damals unerhörte Summe von über 180.000 Pfund Stirling.
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Die britische Öffentlichkeit protestierte gegen die Ausfuhr dieses Meisterwerks, aber
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Heute kann man den Knaben in blau im umfangreichen Nachlass von Huntington in der Nähe von Los
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Angeles besichtigen.
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Aber zurück zu Gainsborough und Reynolds.
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Obwohl ein Bath lebte, stellte Gainsborough immer wieder Werke in London aus.
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Die britischen Künstler begannen gerade erst sich zu organisieren und so gehörten Gainsborough
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und Reynolds zu den ersten Mitgliedern der Royal Society of Arts sowie zu den Gründern
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der Royal Academy of Arts.
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1777 zog Gainsborough mit seiner Familie endlich nach London und begann vor Ort für die High
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1780 porträtierte er König George III. und seine Frau Charlotte.
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Er sollte zum beliebtesten Maler der Königsfamilie werden.
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Und 1784 der offizielle Hofmaler Ellen Ramsay starb, da sich der König jedoch gezwungen
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nicht Gainsborough, sondern in der Öffentlichkeit viel angeseheneren Präsidenten der Royal Academy
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of Arts zum neuen Hofmaler zu ernennen.
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Und das war Joshua Reynolds.
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Gainsborough wusste aber um die Umstände und nahm es der Königsfamilie nicht übel.
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Auf seinen ausdrücklichen Wunsch ließ es sie später bei einer kleinen Kapelle begraben,
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die häufig vom Königsbar besucht wurde.
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Joshua Reynolds ist neben Thomas Gainsborough der zweite prägende Porträtemaler des späten
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Gainsborough war für einen eigenen, leichten und realistischen Malstil bekannt.
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Reynolds hingegen hatte lange Zeit in Italien studiert und wollte durch die bewusste Weiterentwicklung
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klassischer kontinentaler Malerei dafür sorgen, dass sich die britische Oberschicht für hochwertige
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Kunst nicht weiter im Ausland bediente, sondern auf einheimische Künstler zurückgriff.
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Als die höchste Kunst der Malerei kam damals die sogenannte Historienmalerei, die Darstellung
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und Überhöhung von klassischen Szenen der Geschichte.
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In diesem Genre hatten die Briten nichts zu melden, entsprechende Aufträge gingen immer
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an Künstler vom Kontinent.
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Auch Reynolds sollte in der Historienmalerei nicht besonders erfolgreich sein, aber er
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nutzte Elemente der Historienmalerei, um seine Porträts noch interessanter und hochwertiger
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Er stellte seine Modelle nicht einfach nur naturgetreu dar, sondern nutzte bewusst Posen,
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Anspielungen und Malstile der Historienmalerei um seine Klienten noch ein wenig grandioser
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Dieser "Grand Style" kam bei vielen Porträtierten gut an und er hat einen wesentlichen Einfluss
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auf die Entwicklung der britischen Porträtmalerei.
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Die Politiker halten Reynolds hingegen vor, nicht besonders innovativ gewesen zu sein und
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einige seiner Porträts würden doch sehr gestälzt wirken.
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An dieser Stelle muss ich noch einen dritten, etwas ungewöhnlichen britischen Porträtisten
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Wenn ihr irgendwo einmal ein Gemälde aus dem 18.
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Jahrhundert mit anatomisch-serialistischen Pferden seht, ist die Wahrscheinlichkeit groß,
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dass es von George Stubbs gemalt wurde.
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George Stubbs wuchs in Liverpool als Sohn eines Ledergerbers auf.
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Er war also von Kindestagen an mit Tierkörpern und Kadavern vertraut.
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Interessierte sich sowohl für Malerei als auch für Anatomie.
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Nachdem er jahrelang auf einer Farm unzählige Pferde seziert und seine Funde akribisch
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dokumentiert hatte, beöffentlichte er 1766 das Buch "The Anatomy of the Horse".
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Die Londoner Kupferstecher lehnten es ab, die anatomischen Illustrationen für dieses Buch
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herzustellen und so setzte Stubbs seine Zeichnungen selbst in Kupfersteche um.
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Einige Adlige hatten aber schon zuvor Zeichnungen aus Stubbs Arbeit gesehen und festgestellt,
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dass sie viel genauer waren als das, was sie an Tierdarstellungen bisher kannten.
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Und so kam Stubbs dazu, Gemälde von Pferden als Auftragsarbeiten auszuführen.
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In dem Privatsus seiner Auftraggeber konnte Stubbs aber auch exotischere Tiere studieren.
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Und so gibt es von ihm Gemälde von Löwen, Tigern, Kiraffen, Affen und Nashörnern.
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Auch die allerersten Darstellungen eines Kängurus und eines Dingos gehen auf Stubbs Konto.
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Allerdings malte er diese nicht nach lebenden Vorbildern.
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Jahrhunderts begann die Romantik die Kunst Europas zu beherrschen.
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Als eine gewisse Gegenbewegung zur industriellen Revolution, den politischen Normen der Aufklärung
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und der wissenschaftlichen, rationalen Wahrnehmung der Natur entstanden nun Kunstwerke, die mehr
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auf extreme Gefühle setzten.
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Von der Bewunderung für die Schönheit der Natur bis hin zur Verkörperung von Angst
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Das zeigte sich zuerst in der Landschaftsmalerei.
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Die nach den ruhigen Werken früherer Jahrhunderte nun auch begann, wildere Landschaften und
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stürmisches Wetter darzustellen.
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Der bekannteste deutsche Vertreter dieser Stilrichtung ist Caspar David Friedrich, der
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1775 geboren wurde.
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Ein Jahr später kam in England Joseph Mallard William Turner zur Welt, den man heute nur
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als William Turner kennt.
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Und wiederum ein Jahr später John Constable.
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Turner und Constable gelten zurecht als die besten Landschaftsmaler der Insel.
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Turner oft sogar als der beste britische Maler aller Zeiten.
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Aber zunächst zu John Constable.
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Er wuchs im Osten Englands in Sussex und Essex auf und er verbrachte dort den größten Teil
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Auf Spaziergängen fertigte er unzählige Zeichnungen von seiner Heimat an.
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Eines Tages zeigte ihm ein örtlicher Kunstsammler seinen wertvollsten Besitz.
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Ein Landschaftsgemälde des französischen Barockmalers Claude Lorrain.
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John Constable war begeistert.
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Bilder, die die Landschaft in den Mittelpunkt stellten, mit einer eindrücklichen Farbwirkung.
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Eigentlich sollte John den Getreidehandel seines Vaters übernehmen, aber der willigte schließlich
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ein, seinem Sohn eine künstlerische Karriere zu ermöglichen.
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John Constable wurde 1799 bei der Royal Academy als Schüler angenommen.
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Er sollte Zeit seines Lebens danach streben, Landschaften möglichst natürlich und unmittelbar
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Oft fertigte Constable zunächst vollformatige, avantgardistische Ölskizzen seiner Motive an,
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mit schnellen, wilden Pinselstrichen, bevor die eigentlichen Gemälde dann wieder etwas
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gemäßig darausführte.
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Gleichzeitig war er von Licht und Wetter fasziniert.
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Seiner Meinung nach war es der Himmel, der die Ausstrahlung eines Landschaftsgemäldes
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Constables meteorologische Kenntnisse waren auf der Höhe seiner Zeit, und seine Studien
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zu Wolkenformationen nahmen fast schon wissenschaftliche Ausmaße an.
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John Constable war zu Lebzeiten in englischen Kunstkreisen geachtet, aber nie wirklich erfolgreich.
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1821 stellte er mehrere Werke in der Royal Academy aus, darunter sein bekanntestes Gemälde,
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the Hay Wain, das eine Landschaft auf der Grenze von Sussex und Essex mit einem Heuwagen
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zeigt, und mit einem Häuschen, das heute noch steht.
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Der französische Romantikmaler Theodore Géricault sah das Gemälde bei einem Besuch in London
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und war so begeistert, dass er einen Pariser Kunsthändler überzeugte, zusammen mit mehreren
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anderen Werken Constables zu kaufen und im Pariser Salon auszustellen.
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Dort wurde der Heuwagen vom französischen König mit der Goldmedaille ausgezeichnet,
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und Constable wurde über Nacht in Frankreich berühmt.
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Er sollte einen großen Einfluss nicht nur auf Géricault und Delacroix haben, sondern
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auch auf die französische Schule von Barbizon und die späteren französischen Impressionisten.
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An seiner englischen Heimat wurde Constables Bedeutung erst lange nach seinem Tod erkannt.
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Der Heuwagen hängt heute in der National Gallery in London, und im Victorian Albert Museum kann
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man die dazugehörige Ölskizze bewundern.
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In einer Umfrage durch BBC im Jahr 2005 wurde der Heuwagen zum zweitbeliebtesten Bild Großbritanniens
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Den Spitzenplatz in der gleichen Umfrage belegte natürlich "The Fighting Temeraire"
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von William Turner.
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Das Bild sollte den meisten hinlänglich aus dem Kunstunterricht begann sein.
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Es zeigt das alte Schlachtschiff HMS Temeraire, das Jahrzehnte zuvor eine wichtige Rolle bei
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der Seeschlag von Trefalgar gespielt hatte, und das nun bei Sonnenuntergang von einem Dampfschlepper
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zu seinem letzten Liegeplatz an der Themse gebracht wird, um abgefragt zu werden.
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Das Segelschiff erscheint fast geisterhaft in heller Farbe zur Linken, in starkem Kontrast
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zum dreckigen Dampfschlepper.
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Der rechte Teil des Gemäldes wird von der untergehenden Sonne dominiert, deren Licht
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sich sowohl in den Wolken als auch der Themse-Oberfläche spiegelt.
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Das Bild symbolisiert das Ende einer Ära der britischen Marine und den Beginn eines neuen,
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industriellen Zeitalters.
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William Turner malte die Temeraire auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
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Als das Bild 1839 in der Royal Academy ausgestellt wurde, war Turner schon seit 40 Jahren einer
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der bekanntesten Maler der Akademie.
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Joseph Mallard William Turner war 1775 in London als Sohn eines Barbiers auf die Welt gekommen.
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Seine Jugend verbrachte er viel Zeit bei Verwandten außerhalb Londens und begann früh, Zeichnungen
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und Aquarelle und Landschaften und Gebäuden anzufertigen, die im Laden seines Vaters aufgehängt
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und für kleines Geld verkauft wurden.
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Auch als Turner 1789 im Alter von 14 Jahren in die Schulen der Royal Academy aufgenommen
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wurde, konzentrierte er sich zunächst vor allem auf die realistische Darstellung von
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Gebäuden und Perspektive.
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Schon ein Jahr später wurde ein erstes Aquarell von ihm in der Akademie ausgestellt.
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Erst mit Anfang 20 stellte Turner sein erstes Ölgemälde aus.
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"Fisherman at Sea" zeigt ein Fischerboot bei stürmischer See in der Nacht nur vom
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Mond und einer kleinen Laterne beleuchtet.
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Das Bild wurde von Kritikern gelobt und begründete Turners Ruf als Maler von Seemotiven.
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Jahrhunderts bereiste Turner immer wieder Europa, studierte im Louvre in Paris die Alten
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Meister, er genoss Venedig und er malte bedeutende Szenen in den Alpen und in Rom.
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Weil er schnell finanziell unabhängig war, konnte er sich ganz auf die Perfektion seiner
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Vision konzentrieren.
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Die emotional spannungsvolle Darstellung von Natur und vor allem Licht.
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Den ungestümen Naturgewalten sah Turner die Macht Gottes und im Licht die Verkörperung
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des göttlichen Geistes.
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So konzentrierte er sich viele Jahre zunächst auf die Abbildung von stürmischer See, Schiffsfraks,
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regengepeitschen Landschaften und Feuern, wie dem Brand des Parlaments im Jahr 1834.
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In späteren Jahren rückte Turner dann immer mehr das Licht in den Mittelpunkt.
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Er verzichtete auf mögliche Ablenkungen wie feste Gegenstände oder Details.
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Diese abstrakteren Bilder erscheinen wie von einem Impressionisten gemalt und Turner beeinflusste
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dieses spätere Stil Richtung Mars geblich.
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Aber ihm ging es bei seiner Malweise nicht um ein rein optisches Phänomen, sondern einen
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Ausdruck von Spiritualität.
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Nicht zuletzt durch diese späteren Werke, die seiner Zeit voraus waren, war Turner als
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Künstler auch umstritten, aber sein Genie und seine Verdienst um die britische Kunst
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waren weit hin anerkannt.
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Privat lässt sich über Turner kaum etwas sagen.
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Er galt als exzentrisch und hatte wenige enge Freunde neben seinem Vater, der 30 Jahre lang
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bei seinem erfolgreichen Sohn lebte und ihm als Assistent zur Seite stand.
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Nach dem Tod des Vaters fiel Turner immer wieder in Depression.
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Er heiratete nie und hatte langjährige Beziehungen mit zwei Witwen.
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Die letzten 18 Jahre seines Lebens verbrachte Turner im Haus seiner geliebten Sophia Booth,
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wo er ganz natürlich als Mr.
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1851 starb Turner und wurde in der St.
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Paul's Cathedral direkt neben Sir Joshua Reynolds beigesetzt.
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William Turner war ein ungemein eifriger Künstler.
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Er produzierte mehr als 550 Ölgemälde, 2000 Aquarelle und 30.000 Zeichnungen.
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Die weltweit umfangreichste Sammlung von Turner's Werken ist in der Londoner Tate Gallery zu
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Die berühmte Temeraire war Turner's Lieblingsbild gewesen.
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Er verkaufte es nie und es hing bis zu seinem Tod in seinem Atelier, in dem auch regelmäßig
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Geschäftspartner und Gäste empfingen.
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Turner vermachte es, wie alle seine unverkauften Werke, dem britischen Volk.
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Und heute hängt es, wie auch Conceibles Holkarren, in der National Gallery.
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An dieser Stelle noch ein Filmtipp.
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Vor zwei Jahren kam Mr.
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Turner von Mike Lee in die Kinos.
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Der Film zeichnet die letzten Jahrzehnte des Künstlers nach und Schauspieler Tim Fies
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Ball wurde für seine Verkörperung von William Turner unter anderem bei den Filmfestspielen
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in Cannes ausgezeichnet.
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Literarische, musikalische und filmische Denkmale bringen mich auch zum letzten Künstler
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dieser heutigen Folge.
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So sehr William Turner von seinen Zeitgenossen gefeiert wurde, so abgelehnt wurde William
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Der war auch ein Vollblutromantiker, aber mit ganz anderen Visionen als ein William
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Turner, und das ist wörtlich gemeint.
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Bereits als Kind soll der temperamentvolle Blake Visionen von Engeln und Propheten gehabt haben,
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die er sein Leben lang in Gedichten und Bildern verarbeitet hat.
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Blake war für den normalen Schulbesuch ungeeignet und wurde zunächst zu seiner Mutter unterrichtet.
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Schon mit zehn Jahren besuchte er Zeichenschulen und erlernte schließlich das Handwerk des
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Später wurde er auch bei der Royal Academy aufgenommen, aber seine Vorstellungen von
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Kunst erwiesen sich als nicht kompatibel mit denen von Joshua Reynolds.
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Daraufhin eröffnete William Blake eine Druckerei und arbeitete bis zu seinem Tod als Gravör
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Zu seinem spirituellen Verständnis sagte Blake einmal, die Menschen werden in den Himmel
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aufgenommen, nicht weil sie ihre Leidenschaften gezügelt und besiegt oder gar keine Leidenschaften
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hätten, sondern weil sie ihr Verständnis der Dinge kultiviert haben.
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Mit anderen Worten, wenn Menschen ihre Begehren ausleben und ihr Bewusstsein erweitern, lobpreisen
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Kirchen und andere Religionen, deren Lehre darauf gerichtet ist, die natürlichen Begehren
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und die Erleuchtung von Menschen zu unterdrücken, verehren in Wahrheit den Satan und sind abzulehnen.
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Mit solch einer Einstellung, die Blake auch in seinen Gedichten und Bildern umsetzte,
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machte er sich im England des 19.
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Jahrhunderts natürlich nicht besonders viele Freunde.
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Zum Glück galt Blake damals nur als harmloser Exzentriker und nicht als religiöser oder
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politischer Radikaler.
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Aber jeder, der Viva Britannia Folge 57 zur Geschichte des Okulten auf den Britischen
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Inseln gehört hat, kann sich wohl vorstellen, dass es später einige Kreise geben sollte,
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die Blakes mystische Sicht auf die Welt wertschätzten.
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Seine symbolgeladenen und komplexen Gedichte, Buchillustrationen und Gemälde treten sich
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meist um religiöse Themen und wurden zunächst von Okkultisten wie Alistair Crowley oder
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frühen Psychoanalytikern wie Sigmund Freud und Carl Gustav Jung als Meisterwerke gefeiert.
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Unzählige Autoren und Musiker haben sich seitdem von Blake inspirieren lassen.
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So richtig wiederentdeckt wurde er in der Gegenkultur der 1950er und 60er.
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Bob Dylan, Alan Ginsberg, Jim Morrison, Van Morrison, U2, Tangerine Dream, die alle haben
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Werke von Blake verarbeitet.
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Eldis Huxley beschrieb 1954 in dem Buch "The Doors of Perception" seine Erfahrungen mit
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der bewusstheitserweiternden Droge Mescaline.
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Der Titel ist ein Zitat von William Blake und wurde durch das Buch wiederum namensgebend
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für Jim Morrison's Band "The Doors".
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Das Bild von Blake, das wohl den deutlichsten Einfluss auf unsere aktuelle Popkultur hatte,
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ist "The Great Red Dragon and the Woman Clothed in Sun", der große rote Drache mit der von
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der Sonne bekleideten Frau.
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Es ist ein Aquarell von Blake zur Offenbarung des Johannes.
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Roman Roter Drache von Thomas Harris ist ein Serienmörder von diesem Bild besessen.
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Um den Mörder zu fassen, nimmt der Ermittler Will Graham Kontakt mit einem früher von ihm
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gefassten Serienmörder und hochintelligenten Psychiater auf, Hannibal Lecter.
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Roter Drache war der erste Roman, in dem Hannibal Lecter vorkam.
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Das berühmte Schweigen der Lämmer kam erst danach.
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Die Geschichte wurde inzwischen zweimal als Film adaptiert und ist auch die Grundlage für
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die Handlung der aktuellen dritten Staffel der Fernsehserie "Hannibal".
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Und mit diesem ganz und gar nicht romantischen Auswuchs der britischen Romantiker möchte
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ich diesen ersten Ausflug der britischen Malerei beenden.
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Auf die Entwicklung seit der Mitte des 19.
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Jahrhunderts komme ich in einer eigenen Episode noch einmal zurück.
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Dann geht es unter anderem um die Prä-Raphaeliten, um Francis Bacon, David Hockney und Damien
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Treue Zuhörer werden aber schon ahnen, was erst einmal in der nächsten Folge von "Wir
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Britannia" auf euch zukommt.
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Episode 66 steht vor der Tür und damit die sechste "Bits and Bobs"-Folge, in der ich
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auf früheren Themen nachtrage, korrigiere und ergänze.
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Bis dahin, thanks for listening, cheers and bye bye.