Ignoriert von den meisten, herrscht laut den Vereinten Nationen gerade die schlimmste Krise der Welt im Sudan. Sie ist ein Symbol der Dürre, Überschwemmungen und Hunger. Aber wie genau verstärkt die Klimakrise solch einen Krieg?
Der Sudan war für mich immer ein weißer Fleck auf der Landkarte: Ich wusste, dass dort Gold in riesigen Mengen abgebaut wird, dass sich der Südsudan abgespalten hat – viel mehr aber auch nicht.
Doch plötzlich lese ich von einem gewaltigen Krieg, von Schlachtfeldern, die den Boden so blutrot färben, dass dies sogar auf Satellitenbildern zu erkennen ist, von der größten Flüchtlingskrise der Welt, von 21 Millionen Menschen, die derzeit hungern.
Es sind Zahlen, die mich bewegen. Zahlen, die mich fragen lassen, warum so wenig über diesen Krieg berichtet wird. Und Zahlen, die noch mit einem ganz anderen Thema verknüpft sind, das eine zentrale Rolle spielt: die Klimakrise.
Die Klimakrise als Verstärker des Kriegs
Ein Wendepunkt war der Beginn des Darfur-Konfliktes, den internationale Beobachtende als den ersten Klimakonflikt der Welt bezeichnen. Die Dürre verschärfte bestehende politische und soziale Spannungen. Schon lange vor 2003 war das für die Landwirtschaft nutzbare Land im Sudan knapp: Im Norden ist die Wüste, nur im Süden sind feuchtere Gebiete. Die Sahara breitete sich bereits in den Jahrzehnten vor dem Konflikt jedes Jahr um ein bis zwei Kilometer nach Süden aus. Gleichzeitig regnete es im Norden des Landes im Durchschnitt um 15 bis 30 Prozent weniger.
Die Folgen: Die Wasserstellen wurden zum Streitpunkt – und zum Schauplatz eskalierender Gewalt. Zusammen mit weiteren politischen und gesellschaftlichen Faktoren mündete dieser Druck 2003 in den Darfur-Konflikt, einer bewaffneten Auseinandersetzung, die bis heute andauert.
Die Dürre trifft besonders die 65 Prozent der Sudanesen, die von der Landwirtschaft leben. Zum einen müssen die Viehhirten im Zuge der Klimakrise neue Orte mit Wasser und Futter suchen. Dabei gelangen sie immer wieder auf die Felder sesshafter Landwirte. Das führt regelmäßig zu Konflikten, nicht selten zu bewaffneten.
Zum anderen fehlen die Einnahmen aus der Landwirtschaft. Vor allem junge Männer ziehen in die Städte, um während der Trockenperiode Arbeit zu finden, fangen in den Goldminen an, die stark mit den militärischen Gruppen verknüpft sind, oder schließen sich direkt einer der rivalisierenden Gruppen an. Seit 2023 eskaliert der Darfur-Konflikt erneut und zwei große militärische Mächte kämpfen um die Kontrolle über den Sudan.
Neben der Dürre setzen auch andere Extremwetterereignisse dem Land zu: Starke Regenfälle haben nach Aussagen der Beobachtungsstelle für Konflikte und Umwelt (CEOBS) 2024 dazu geführt, dass ein wichtiger Staudamm nahe der Hafenstadt Port Sudan eingebrochen ist. Die Wassermassen zerstörten die Ernten und rissen ganze Dörfer mit sich.
Zerstörte Märkte und die Ausbeutung der Ressourcen
Es ist ein Zyklus, der sich verstärkt: Die Klimakrise ist einer der Faktoren, die den Krieg im Land antreiben. Der Krieg im Land wirkt sich wiederum auf die Bevölkerung aus, die noch stärker unter den Auswirkungen der Klimakrise und der Ausbeutung der Umwelt leidet. Denn die Landwirte haben durch die bewaffneten Konflikte Schwierigkeiten, ihre Felder zu bewirtschaften. Warenhäuser mit Dünger und Märkte werden geplündert, in Brand gesetzt oder durch Luftangriffe getroffen. Wasser- und Abwassersysteme werden zerstört oder nicht ausreichend gewartet.
Die militärischen Gruppen beschädigen zudem Anlagen wie Ölraffinerien oder Industrie- und Chemiefabriken. Die CEOBS hat 401 Vorfälle in den wichtigsten Industriegebieten der Hauptstadt Khartum zwischen April 2023 und Januar 2024 gezählt. Wenn die Anlagen beschädigt werden, gefährdet das die Menschen, die dort wohnen, und setzt Klima und Umwelt noch mehr zu.
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Beide Kriegsgruppen, die nun seit 2023 kämpfen, finanzieren sich auch über den Goldabbau, was die Böden erodieren lässt und die Landschaft mit Zyanid oder Quecksilber kontaminiert. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass 40 Prozent der internen Konflikte im Sudan der letzten 60 Jahre mit der Ausbeutung von wertvollen Ressourcen wie Holz, Diamanten, Öl und Gold zusammenhängen. Dieses Gold wird zum Beispiel laut der Konrad-Adenauer-Stiftung in die Vereinigten Arabischen Emirate geschmuggelt.
Der Krieg im Sudan ist also nicht nur eine Frage der internen Konflikte. Es ist ein Krieg, der von vielen Staaten am Leben gehalten wird. Sei es, indem sie die Klimakrise verstärken, durch den Goldimport die Auseinandersetzungen finanzieren oder Waffen an die militärischen Gruppen liefern. Wir müssen den Krieg daher mehr zu einem Thema in den Schlagzeilen machen, mehr in Diskussionen aufbringen, aber auch vor allem als das sehen, was ihn ausmacht: eine Verkettung unterschiedlicher Umstände, die alle miteinander zu tun haben. Die Klimakrise ist ein wichtiges Puzzleteil, um die Konflikte im Sudan besser zu verstehen.
Verwendete Quellen
- mediendienst-integration.de: Die größte Flüchtlingskrise der Welt
- World Food Programme: Sudan
- World Food Program USA: The First Climate Change Conflict
- Conflict and Environment Observatory: The environmental costs of the war in Sudan
- sipri.org: Climate, Peace and Security Fact Sheet: South Sudan (2025)
- reliefweb.int: The Sudan Crisis, Conflict and Food Insecurity - July 2023
- UN Environment Programme: In Sudan, conflict and environmental decline go hand in hand
- Konrad-Adenauer-Stiftung: The Rapid Support Forces and Sudan’s War of Visions
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