Einrichtungsgegenstände, Baumaterialien oder Textilien, mit denen wir uns zu Hause umgeben, können Schadstoffe freisetzen, die unsere Gesundheit negativ beeinflussen können. Wo diese Wohngifte vorkommen, inwiefern sie bedenklich sind und worauf man beim Einrichten oder Renovieren achten sollte, klären wir mit einem Experten für Wohngesundheit.
In Deutschland halten sich Menschen etwa 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen auf, am meisten verbringen sie diese in ihrem Zuhause. Dort können sie unbemerkt diversen Schadstoffen ausgesetzt sein, die unter anderem Unwohlsein, Kopfschmerzen, Atemwegsbeschwerden oder Allergien auslösen können. Auch Störungen des Hormonhaushalts kommen vor, im schlimmsten Fall begünstigten Wohnschadstoffe sogar Krebserkrankungen. Deshalb sollte die eigene Wohnumgebung möglichst so gestaltet sein, dass sie keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit hat.
Ausschlaggebend dafür ist die Qualität der Innenraumluft. Mögliche Schadstoffemissionen aus Einrichtungsgegenständen oder Baumaterialien können die Raumluft belasten und durch das Einatmen oder über Hautkontakt Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben.
Schadstoffe belasten Raumluft und Hausstaub
Wohnschadstoffe sind entweder künstlich hergestellt oder natürlichen Ursprungs, zum Beispiel als natürlicher Bestandteil einiger Holzarten und können fast überall vorkommen. Typischerweise stecken sie in Lösungsmitteln, in Pestiziden oder Holzschutz und Teppichschutzmitteln und können dementsprechend in Klebern, Lackierungen, Farben, Beschichtungen oder verleimten Holzwerkstoffen enthalten sein.
Sind Möbel, Bodenbelägen, Wandfarben oder Wohntextilien mit Wohnschadstoffe belastet, emittieren diese in die Raumluft und gehen über die Atmung in den menschlichen Organismus über. "Möbel und Baustoffe oder Baumaterialien im weiteren Sinne stellen oft die größte Quelle von Innenraumschadstoffen dar. Einige Schadstoffe reichern sich primär in der Raumluft an, andere lagern sich eher im Hausstaub ab, viele können unsere Gesundheit negativ beeinflussen," sagt Christian Blank, baubiologischer Messtechniker des IBN-Instituts und Vorstandsmitglied im Verband Baubiologie im Gespräch mit unserer Redaktion.
Da diese Schadstoffe nicht sichtbar sind und nicht immer oder erst ab einer bestimmten Konzentration auffällig riechen, bemerkt man sie in vielen Fällen nicht. Meist kommt man ihnen erst auf die Schliche, wenn bereits gesundheitliche Probleme aufgetreten sind.
Gefahrenquelle Spanplatten
Als besonders bedenklicher Wohnschadstoff gilt Formaldehyd. Er ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der EU als krebserzeugend eingestuft und kommt unter anderem in vielen Holzwerkstoffen, zum Beispiel in Spanplatten, vor.
"Formaldehyd ist in vielen Spanplatten enthalten, diese werden durch Bindemittel zusammengehalten, welches häufig stark formaldehydhaltig ist. Dieser Schadstoff gast dann an offenen Stellen, beispielsweise an den Schnittkanten der Platten oder an Bohrlöchern für Regalböden, über die ganze Lebensdauer des Möbelstücks aus. Diese Ausgasung reduziert sich nicht deutlich nach ein paar Wochen oder Monaten, wie es bei einigen anderen Schadstoffen der Fall ist," sagt Blank.
Kinder und Schwangere besonders gefährdet
Ein Wohnumfeld, das möglichst wenig Schadstoffe freigibt, und eine gute Raumluftqualität sind für alle Menschen vorteilhaft. Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere mit ihren Babys sind besonders empfänglich für mögliche Schadstoffe aus der Wohnumgebung und sollten deshalb vor Wohngiften geschützt werden.
Eine Untersuchung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung kam zu dem Ergebnis, dass das unreife Immunsystem von Neugeborenen und Kleinkindern durch den Kontakt mit Umweltschadstoffen, die zum Beispiel in Möbeln oder Wandfarben enthalten sein können, beeinflusst wird und dass diese Chemikalien bei Kindern Entzündungen der Atemwege auslösen.
"Wenn kleine Kinder im Haushalt leben, die noch krabbeln oder auf dem Boden spielen, sollte verstärkt darauf geachtet werden, Staub zu entfernen und die Böden regelmäßig zu reinigen. Dadurch, dass Babys häufig viele Dinge in den Mund nehmen, kommt es neben der Aufnahme von Schadstoffen über die Atmung bei ihnen meist zusätzlich zu einer vermehrten oralen Aufnahme möglicher bedenklicher Stoffe. Ein möglichst schadstofffreies Wohnumfeld ist deshalb besonders von Bedeutung," erklärt Blank.
So kann man den Schadstoffgehalt im eigenen Zuhause reduzieren
Ganz wichtig und leicht umzusetzen: mehrmals täglich lüften. Dabei reduziert sich die Konzentration von Schadstoffen in der Raumluft. Ideal ist das Stoßlüften bei weit geöffneten Fenstern, noch besser das Querlüften über mehrere, zum Beispiel gegenüberliegende Fenster. So findet in kurzer Zeit ein Luftaustausch im Raum statt und die Oberflächen kühlen nicht unnötig aus, was vor allem im Winter Heizungsenergie spart.
"Wir atmen täglich etwa 12.000 bis 20.000 Liter Luft ein und das sollte möglichst unbelastete Frischluft sein. In abgedichteten Innenräumen kann es je nach Raumgröße und Ausstattung mangels ausreichendem Luftaustausch innerhalb kurzer Zeit zu einer Anreicherung belastender Schadstoffe kommen, während im Freien immer eine Durchmischung mit unbelasteter Luft erfolgt. Bei jedem Lüftungsvorgang kommt Außenluft in meist guter Qualität nach drinnen und wird dann erst mit der Zeit wieder schlechter," erklärt Blank.
Mithilfe eines CO2-Messgerätes, beispielsweise mit Ampelfunktion oder einem Display, das je nach Luftqualität grün, gelb oder rot leuchtet, lässt sich die Raumluftqualität leicht selbst zu Hause kontrollieren. Wenn das Lämpchen auf Geld oder Rot springt, sieht man sofort, dass es wieder Zeit zum Lüften ist.
Auch Staub sollte regelmäßig entfernen werden, da sich darin bedenkliche Schadstoffe ablagern können, die man einatmen oder über Hautkontakt aufnehmen kann. "Ich rate zu einer Anschaffung eines Staubsaugers mit Hepa-Filter, denn dieser bindet Staub und darin anhaftende Schadstoffe und gibt sie nicht wieder in den Raum ab", sagt der Experte für Innenraumschadstoffe.
Da Spanplattenmöbel mit Formaldehyd belastet sein können und diese in vielen Haushalten vorhanden sind, lohnt sich das Abdichten offener Materialstellen. Folgendes hält Blank für wichtig: "Man sollte Formaldehyd am Emittieren hindern. Das Abkleben offener Schnittkanten, zum Beispiel mit einem gasdichten Aluminiumklebeband, ist sehr effektiv. Bohrlöcher kann man beispielsweise auch mit Gummipfropfen abdichten."
Falls bereits typische gesundheitliche Beschwerden wie Allergien, Asthma, Kopfschmerzen, gereizte Schleimhäute, Konzentrationsprobleme oder anhaltende Müdigkeit und Schlafstörungen auftreten und der Verdacht besteht, dass diese von Schadstoffen in der Wohnumgebung hervorgerufen werden, kann eine professionelle Raumluftmessung sinnvoll sein.
Das sollte man beim Renovieren oder Möbelkauf beachten
In frisch renovierten oder neu eingerichteten Räumen herrschen meist besonders hohe Schadstoffwerte. Die Wahl der richtigen Materialien und der korrekte Umgang mit Baustoffen sind deshalb von Bedeutung. Hinsichtlich Wandfarben sollte man auf Produkte ohne Konservierungsmittel achten oder, aus baubiologischer Sicht besser, mineralische Wandfarben wie Kalkfarben, Silikatfarben oder Lehmfarben bevorzugen. Diese geben als reine Naturbaustoffe keine schädlichen Emissionen ab.
Nach dem Renovieren oder Aufstellen neuer Möbel sollte man grundsätzlich öfter und länger lüften, das hilft den Gehalt möglicher ausgasender Schadstoffe in der Raumluft zu verringern. Werden Baumaterialien verarbeitet, zum Beispiel neuer Teppichboden oder Parkett verlegt, sollte man darauf achten, dass die vom Hersteller angegebenen Mengen und Trocknungszeiten eingehalten werden. Denn nur bei sachgemäßem Umgang kann man davon ausgehen, dass mögliche Schadstoffemissionen gering bleiben.
Empfehlungen der Redaktion
Beim Kauf neuer Einrichtungsgegenstände empfiehlt es sich möglichst schadstoffarme und natürliche Produkte zu wählen. Idealerweise sind unbehandelte Naturmaterialien, wie naturbelassene Vollholzmöbel oder schadstoffgeprüfte Textilien die erste Wahl.
Ein auffälliger, unangenehmer Geruch oder wenn Möbel und Baumaterialien typisch neu riechen, deutet das meist darauf hin, dass Schadstoffe vorhanden sind, ähnlich wie bei chemisch riechenden Kleidungsstücken.
Über den Gesprächspartner
- Christian Blank, Geograf M.A., ist Innenraumanalytiker und baubiologischer Messtechniker (IBN). Er untersucht Wohnräume, Arbeitsplätze und Grundstücke hinsichtlich gesundheitlich relevanter Einflüsse physikalischer, chemischer und mikrobiologischer Art. Außerdem berät er zu wohngesundheitlichen Fragen und hält Vorträge rund um das Themengebiet. Seit 2013 ist Blank zudem Vorstandsmitglied im Verband Baubiologie.
Verwendete Quellen
- Interview mit Christian Blank
- Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Flüchtige Chemikalien aus Farben und Möbeln verändern Lungenzellen schon in geringer Konzentration
- Umweltbundesamt: Innenraumluft
- Umweltbundesamt: Ausschuss für Innenraumrichtwerte
- Science Direct: Real-time sensors for indoor air monitoring and challenges ahead in deploying them to urban buildings (Studie)
- Umweltbundesamt: Formaldehyd
- Umweltbundesamt: Ratgeber Gesund und umweltfreundlich einrichten