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Erasmus-Typologie Der Snob

Was sind das nur für Menschen, diese Erasmus-Studenten? Philipp Braun kennt sie alle - zum Beispiel den Karrieristen aus der Jura- oder Wirtschaftsfakultät. Der Snob braucht die Landessprache nur für den Lebenslauf und hat ein Problem mit den Manieren.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Es ist Oktober, Semesterbeginn. Und wieder machen sich zahlreiche deutsche Studenten auf, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Die einen setzen sich in Straßencafes, um zu dichten und zu denken. Die anderen liefern sich leidenschaftliche Trinkspiele und Raufereien mit ihren englischen Kommilitonen. Die ganze Wahrheit über deutsche Erasmusstudenten - heute...

Der Snob

Der Snob treibt sein Unwesen meist in jeden Fakultäten, auf denen in altehrwürdigen Lettern etwas Ähnliches wie "Derecho" oder "Economía" geschrieben steht. Er ist also bevorzugt Jurist oder BWLer und im Ausland in erster Linie auf der Suche nach einem Anschlusspraktikum oder einer passenden Business-School. Dort will er dann wie all seine Kommilitonen den Hemdkragen hochklappen und sich für die Irrungen und Wirrungen des Lebenslaufes rüsten.

Der Snob ist in der Regel laut und aufdringlich und vergisst vor allem im Umgang mit einheimischen Frauen seine gute Kinderstube. Es sei denn, er ist bei deutschen Freunden der Familie außerhalb der Stadt zum Abendessen eingeladen. Mit deren hübscher Tochter kommuniziert er nur mit den Füßen unter dem Tisch.

Ansonsten strotzt er im Nachtleben vor Selbstbewusstsein, ist meist betrunken und gräbt alles an, was bei eins nicht auf seinem ebayesken Schoß sitzt ("drei, zwei, eins… meins!"). Wie ärgerlich für alle anderen Studenten, dass der Snob auch im Ausland den größten Erfolg bei den Frauen hat!

Keinen großen Unterschied macht hier sein weibliches Gegenstück, die Snobistin. Sie ist schon beim Abflug in München, Düsseldorf oder Hamburg braungebrannt, kommt stilsicher mit Audrey-Hepburn-Sonnenbrille an und wird gleich am Flughafen mit Britney Spears verwechselt und eine Weile von Paparazzi verfolgt.

Wenn sie die abgeschüttelt hat, dann nimmt sie sich entnervt ein Taxi in die Stadt, steckt sich eine Zigarette an und klappt den Kragen ihrer Bluse hoch. Meist hat sie viele deutsche Bekannte in der Stadt und bleibt, wie ihre männlichen Studienkollegen, lieber unter den Gleichgesinnten.

Die männliche wie weibliche Variante des Snobs will die Landessprache nicht wirklich, sondern nur "für den Lebenslauf" lernen. Das ist auch gut so, denn der eigene Lebenslauf wird einem Snob niemals eine Konversation aufnötigen.