Kulturmix Musik Intelligente Reimtruppe
FETTES BROT / Strom und Drang
"Wir sind jung, wir sind frei, wir haben nichts zu verlieren." So eröffnen die drei Hamburger Rapper von Fettes Brot ihr neues, auf dem eigenen Label erschienenes Album "Strom und Drang". Und in der Tat haben Doktor Renz, König Boris und Björn Beton kaum Kritik zu befürchten. Dank Mainstream-Hits wie "Jein" (1996) oder "Emanuela" (2005) sind sie dick im Geschäft, und sie haben sich den Ruf als vielseitige, intelligente Reimtruppe dabei erhalten.
Trotzdem lassen es die drei auf "Strom und Drang" alles andere als ruhig angehen. "Lieber verbrennen als erfrieren", der Campus-Charts-Einsteiger "Bettina, zieh dir bitte etwas an" und "Erdbeben" zeigen gleich zu Beginn, dass auch die Brote Elektro längst für sich entdeckt haben und sich nicht auf das Abfeuern von Textkaskaden auf knarrenden Beats beschränken.
Überhaupt liegt die Stärke von Fettes Brot schon lange nicht mehr im HipHop alter Schule, wie "Der beste Rapper Deutschlands ist offensichtlich ich" zeigt: Der Text dreht sich zwar genretypisch - allerdings hier ironisch - um den eigenen Größenwahn, der Song an sich ist aber allerfeinster Pop, der schwer wieder aus dem Ohr zu bekommen ist.
Der musikalische Gegenpol ist "Schieb es auf die Brote": Das klingt nun endlich mal Old School mit derbem Beat und trockenen Samples, darüber packt das Trio aber hübsche Harmonien zum Mitsingen - was nicht passt, wird passend gemacht. Einen Seitenhieb auf die bösen Gangsta-Kollegen aus der Hauptstadt ("Automatikpistole") können sie sich ebenso wenig verkneifen wie eine hübsche R'n'B-Ballade ("Ich lass dich nicht los" mit Gastsänger Pascal Finkenauer) und einen etwas überdrehten Rocker ("Das allererste Mal" mit Bernadette La Hengst).
Ist es nun Stilwirrwarr oder ein großes Angebot für alle Geschmäcker? Daran werden sich, wie bei Fettes Brot üblich, die Geister scheiden, und das ist schließlich genau das, was Renz, Boris und Björn wollen: "Wir sind jung, wir sind frei, wir haben nichts zu verlieren."
DUFFY / Rockferry
"Wer wird die neue Amy Winehouse?" ist eine Frage, die das extrem Newcomer-hungrige Großbritannien bewegt. Mittlerweile scheint man eine Antwort gefunden zu haben: Aimée Anne Duffy orientiert sich auf ihrem ersten Album "Rockferry" ähnlich wie Winehouse an klassischem, orchestrierten Dusty-Springfield-Soul der sechziger Jahre.
Allerdings: So richtig nach vorn an die Rampe kommt die blonde Waliserin selten, lieber lässt sie sich mit "Warwick Avenue" oder "Scared" in den weichen Balladensessel plumpsen, artig und radiotauglich.
Ihre besten Momente hat Duffy dann, wenn sie ein wenig bei großen Vorbildern schnorrt. So klingt "Hanging on Too Long" stark nach "I Heard It Through the Grapevine" (Marvin Gaye), während der Single-Hit "Mercy" sich an "Rehab" (Amy Winehouse) anlehnt.
Vielleicht macht die starke - und im Gegensatz zu Winehouse noch skandalfreie - Sängerin zu wenig aus ihrem Potential. Andere Möglichkeit: Der UK-Soul-Trend nutzt sich bereits ab.
Die Campuscharts der Woche: