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Blinde Kamera Fotos anderer Leute knipsen

Eine Kamera ohne Objektiv ergibt eigentlich keinen Sinn. Aber mit Kamera-Handys, die mit Online-Fotoalben vernetzt sind, lässt sich das Paradoxon auflösen: Wenn man den Auslöser betätigt, sucht die Kamera ein Bild, das den gleichen Moment festhält.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Die Lage auf dem Markt für mobile Gadgets wird immer unübersichtlicher. Jedenfalls lässt sich bei vielen Geräten kaum noch bestimmen, was sie eigentlich darstellen sollen, weil sie Handy, Kamera, Walkman, Organiser und vieles mehr gleichzeitig sind. Andererseits lässt sich diese neue Unübersichtlichkeit ganz schnell in geordnetes Wohlgefallen auflösen, wenn man sich von den traditionellen Kategorien löst und sich mit dem Gedanken anfreundet, dass wir statt mit Telefonen oder Kameras mit mobilen Computern hantieren, die je nach Konfiguration für bestimmte Aufgaben besonders gut geeignet sind, obwohl sie im Zweifelsfall die ganze Kommunikations- und Medien-Palette beherrschen.

Anwendungen wie Echtzeit-Fotoblogs scheinen aus diesem Blickwinkel plötzlich ziemlich naheliegend und banal, womit sich aber auch die Frage stellt, was man denn mit den mobilen, vernetzten Rechnern noch alles anstellen könnte? Wie wäre es beispielsweise, wenn man auf Knopfruck sehen könnte, welche Fotos in genau diesem Moment mit anderen Allround-Geräten geknipst werden?

Genau diese Frage hat sich wohl Sascha Pohflepp, Student an der Berliner Universität der Künste, gestellt, und prompt ein Gerät entworfen, das die Antworten produziert: Seine schlicht "Buttons" getaufte "Kamera" ohne Objektiv . Wenn man den namensgebenden Auslöser betätigt, macht Buttons kein Bild der aktuellen Umgebung, statt dessen sucht es bei Flickr nach dem ersten Foto, das zur exakt gleichen Zeit geschossen wurde.

Aktuell hat Buttons damit eine rekordverdächtige "Auslöseverzögerung", denn auch die Fotos gut ausgerüsteter Foto-Blogger landen in den Regel erst nach einigen Minuten in der Flickr-Datenbank. In naher Zukunft dürfte dieser Prozess aber nahezu in Echtzeit ablaufen - schließlich kommen immer mehr aktuelle Handy-Modelle mit serienmäßig installierter Software, die nach jedem Schnappschuss anbietet, den unvergesslichen Augenblick mit einem Klick im Netz zu veröffentlichen.

Den Moment festhalten

Der klassische Fotografenspruch, dass mit einem Bild "der Moment festgehalten" wird, bekommt durch Buttons eine ganz neue Wendung. Das absurd anmutende Gerät nimmt die Formulierung wörtlich, indem nur noch ein Zeitpunkt markiert wird. Das resultierende Foto gehört nach Pohflepps Ansicht immerhin noch zur Hälfte dem Buttons-Nutzer, weil dieser ja den Auslöser betätigt und dadurch den Augenblick des Fotos bestimmt hat.

Buttons ist ein Einzelstück, in dem ein K750i-Handy von SonyEricsson steckt, das sowohl für den Monitor als auch die Verbindung zu Flickr sorgt. Der auffällige, rote Auslöser stammt aus einem Agfamatic-901-Fotoapparat. Für die reibungslose Lieferung der Bilder sorgt eigens geschriebene Software, die teilweise auf dem Handy, teilweise auf einem Server läuft.

Sascha Koesch/Fee Magdanz/Robert Stadler

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