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Internet-Radios MP3-Deluxe

Kann ein Internet-Radio gut aussehen und gleichzeitig hi-fidelen Ansprüchen genügen? Der US-Hersteller Slim Devices glaubt diesen Anspruch erfüllen zu können und schickt seinen "Transporter" ins Rennen um die Gunst der Audio-Freaks.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Ich gestehe: Ich bin ein Klang-Gourmet. Trotz des nach oben schon leicht eingedellten Frequenzgangs meiner Ohren investiere ich immer wieder in hochwertiges Audio-Equipment. Zudem vollziehe ich mit meinen Hörgewohnheiten einen merkwürdigen Spagat zwischen Analog und Digital. Während mein CD-Player älteren Datums nämlich bewusst analog angeschlossen ist, gehört ein digitaler Audio-Player zu meinen ständigen Begleitern - aber nur unterwegs.

Für ein Internet-Radio oder einen Media-Extender (eine neue Geräteklasse, in der man alles zusammenfasst, was mediale Inhalte über ein Hausnetzwerk zugänglich macht) konnte ich mich hingegen noch nicht begeistern. Da können die Hersteller den Geräten noch so viele technische Gimmicks einpflanzen. Wenn beim Hörtest die Höhen zirpen und die Bässe sich im Bereich der unteren Mitten herumtreiben, hat so ein Gerät keine Chance bei mir.

Große Griffe

Die Firma Slim Devices aus dem kalifornischen Städtchen Mountain View verspricht Menschen wie mir Abhilfe. Der "Transporter" soll's richten. Als erstes "Audiophiles Netzwerk-Audiowiedergabegerät" preist ihn der Hersteller an - griffig ist das nicht.

Das Gehäuse des Edel-Internet-Radios hingegen ist ausgesprochen griffig. Zwei dicke metallene Bügel begrenzen seine Frontpartie seitlich. So etwas kenne ich sonst nur aus der Studiotechnik. Das soll wohl den professionellen Anspruch signalisieren. Auf der heimischen Audio-Anlage wirken die verchromten Griffleisten deplatziert.

Ansonsten ist das Gerät bereits vor dem ersten Hörtest ein Highlight, schon visuell ein Genuss: robustes Metall, solide Verarbeitung, da geht so leicht nichts kaputt.

Beim Anschließen taucht dann die erste Unsicherheit auf. Inklusive des Strom-Steckers drängen sich nicht weniger als 20 Buchsen auf der Rückseite des Geräts. Da komme ich zum ersten Mal ins Grübeln, wozu das wohl gut sein soll. Allein acht Buchsen regeln den digitalen Ton-Verkehr. Fürs Erste entscheide ich mich, die analogen Cinch-Buchsen zu verwenden, um das Gerät mit meinem AV-Receiver zu verbinden. Schließlich preist der Hersteller ganz besonders die Qualität des verwendeten Digital-Analog-Wandlers (DAC) von Typ AK4396 "Miracle DAC". Der ist sicher nicht billig, also will ich den auch nutzen.

Die digitalen Anschlüsse kann man zudem verwenden, um den teuren DAC auch anderen, nicht so gut bestückten Geräten zur Verfügung zu stellen. So kann man beispielsweise CD- oder DVD-Player digital anschließen und deren Signal an den analogen Ausgängen wieder abgreifen.

Die gewaltigen analogen Ausgänge für fingerdicke XLR-Stecker wird man im Heimbereich wohl kaum nutzen können. Passendes Equipment ist eher in professionellen Tonstudios anzutreffen.

Edel-Radio mit Open Source-Software

Wie bei Internet-Radios üblich, bringt das Gerät erstmal keinen Ton heraus. Klar, es muss erst einmal ins Netzwerk integriert werden. Die dafür gedachte Ethernet-Buchse ignoriere ich geflissentlich und schraube stattdessen die beiden mitgelieferten WLAN-Antennen an die Rückseite. Zu meinem Erstaunen versteht sich der Transporter auf Anhieb mit meinem arg veralteten Drahtlos-Netzwerk. Auch die Einrichtung des Netz-Zugangs stellt keine Hürde dar. Einzig die Eingabe des Netzwerk-Passworts als hexadezimaler Zahlencode ist über die Fernbedienung etwas mühselig.

Dann aber steht dem Transporter die weite Welt der Internet-Radios offen.

Ganz ohne PC saugt er sich Musik nach meinem Geschmack aus dem Web. Und will ich meinen eigenen digitalen Schätzen lauschen, geht auch das. Von der Website des Herstellers, so will es die Anleitung, besorge ich mir die neuste Version der SlimServer-Software. Die ist Open Source, darf also von jedermann weiterentwickelt werden. Das mag erklären, weshalb sie nicht nur auf PCs und Macs, sondern auch unter Linux, BSD und Solaris läuft (wer speichert seine Musik auf einem Solaris-Server?). Das mag allerdings auch die große Bandbreite unterstützter Audio-Formate erklären. Dazu zähen beispielsweise MP3, AAC, Ogg Vorbis, MusePack und WMA. Seine Stärke kann der Player aber erst so richtig bei unkomprimierten Formaten wie Apple Losless oder FLAC ausspielen.

Denn, das vermitteln mir meine Ohren beim Hörtest, der Sound des Transporter ist wirklich hervorragend. Da klirrt und flirrt nichts, was nicht schon auf der Aufnahme vorhanden gewesen wäre. Einziger Wehrmutstropfen: bei legal erworbener Musik aus Apples iTunes Store bleibt der Player stumm. Das ist nicht Schuld des Herstellers, sondern Apple zuzuschreiben, die ihr Kopierschutzsystem nicht lizenzieren. Schade ist's trotzdem, bleibt ein Großteil meiner Musiksammlung auf diese Weise doch außen vor.

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Aber mit Musik hören ist es beim Transporter nicht getan. Schließlich wird fast die gesamte Frontpartie des Players von zwei Displays eingenommen. Normalerweise dienen die dazu, die aktuell laufenden Titel, beziehungsweise ein paar Pseudo-analoge Aussteuerungsanzeigen darzustellen. Alternativ kann man sich darauf aber auch RSS-Feeds anzeigen lassen, den von SPIEGEL ONLINE zum Beispiel. Der dient dann quasi als Bildschirmschoner und sorgt nebenbei dafür, dass ich keine Schlagzeile verpasse. Die Artikel selbst auf dem Gerät zu lesen, klappt freilich nicht.

Ein ständiger Gast in meinem Wohnzimmer wird der Transporter trotz all seiner Vorzüge nicht werden. Dafür ist sein Kaufpreis mit 1999 Euro doch etwas zu sportlich angesetzt. Immerhin, Slim Devices hat auch eine sehr viel günstigere Alternative im Angebot, die Squeezebox. Die ist zwar nicht so schick wie der Transporter und verfügt auch nicht über dessen aufwändige Analog-Digital-Wandler, bietet aber rein technisch fast die gleichen Möglichkeiten wie der Transporter. Allerdings zum wesentlich familienfreundlicheren Preis von 299 Euro.

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