LiMux: Das Verwaltungs-Linux in München
20 Jahre Linux Wie der Pinguin nach München kam
Franz Krisch fiel die Umstellung auf Computer nicht schwer. Der heute 62-Jährige ist im Kulturreferat der Stadt München für regionale Festivals zuständig. Als Mitte der achtziger Jahre Rechner eingeführt wurden, erleichterten sie seine Arbeit. Vorher musste er Veranstaltungsprogramme auf der Schreibmaschine tippen und Kontakte zu Künstlern auf Karteikarten eintragen. Und dann, zwei Jahrzehnte später sollte Krisch sich wieder umstellen. Auf Linux!
Als der Münchner Stadtrat 2004 beschloss, flächendeckend bei städtischen Rechnern das freie Betriebssystem Linux und Open-Source-Software zu installieren, war Krisch skeptisch. Er glaubte nicht, dass sich die Daten von 40.000 Künstlern einfach so in ein neues System übertragen ließen.
Entwickler programmieren 300 Spezial-Anwendungen
Solche Probleme haben das Münchener "LiMux"-Projekt von Anfang an begleitet. Dafür, dass "LiMux" nicht nur als Wortspiel aus "Linux" und "München" funktioniert, sind die Projektleiter Peter Hofmann als Vertreter der Stadt und Andreas Heinrich von IBM verantwortlich. Beauftragte in den städtischen Referaten tragen zusammen, was die Arbeitsbereiche brauchen. Daraufhin entwickeln etwa 50 Mitarbeiter der LiMux-Zentrale eine maßgeschneiderte Software-Lösung. Gut 300 fachspezifische Anwendungen sind so schon entstanden. Nur noch auf zehn Prozent der Linux-Rechner ist zusätzlich Windows installiert, weil es für einzelne Programme keine Linux-Entsprechung gibt.
Die Befürchtungen Franz Krischs bestätigten sich zunächst: Die Künstlerdatenbank ließ sich nicht einfach übernehmen. Die LiMux-Leute entwarfen ein ganz neues Programm, das dann vor Ort getestet wurde. In den ersten Monaten kam es schon mal vor, dass ein Datensatz plötzlich doppelt vorhanden war, doch die Fehler wurden schnell behoben. Franz Krisch ist zufrieden: Das Linux-System und die Open-Source-Software funktionieren genauso gut wie das alte System.
6900 Rechner in der Stadtverwaltung laufen nur mit Linux
Bis zum Jahr 2013 sollen in der Münchener Stadtverwaltung 12.000 von 15.000 Rechnern ganz ohne Windows auskommen, derzeit sind es 6900. Zwei Jahre Verspätung hat das Projekt. Ein Grund: Die 22 Referate verteilen sich auf 51 Standorte mit je unterschiedlicher IT-Infrastruktur. Vor der Linux-Umstellung waren zum Beispiel in den 22 Referaten sieben verschiedene Redaktionssysteme im Einsatz, inzwischen ist es nur noch eines. Eine weitere Herausforderung ist es, die Rechner im laufenden Betrieb umzustellen - die Bürger wollen schließlich bedient werden. Andere Städte wie Wien oder Behörden wie das Auswärtige Amt haben weniger Erfolg.
Auslöser für den Wechsel: Nachdem Microsoft 2001 den Support für sein Betriebssystem Windows NT aufgekündigt hatte, suchte die Stadt nach Alternativen. Den Ausschlag für Linux gab die Unabhängigkeit von Herstellern. Aufgrund der Offenheit des Systems lässt sich jederzeit eine andere Linux-Version aufspielen. Anfangs war in der Münchner Verwaltung die Debian-Distribution das Grundgerüst. Letztes Jahr wechselte die Verwaltung dann auf die Ubuntu-Distribution.
Der eierlegende WollMux
Geld zu sparen stand bei LiMux nicht im Vordergrund. "Dieses Ziel steht in keinem Stadtratsbeschluss," sagt Andreas Heinrich. Bis jetzt hat die Stadt acht Millionen Euro für Linux ausgegeben, insgesamt sind 12,8 Millionen Euro dafür eingeplant. Die Stadt investiert lieber in eigene Entwicklungen, anstatt einem Großanbieter Lizenzgebühren zu zahlen. Positiver Nebeneffekt: Andere Kommunen übernehmen Eigenentwicklungen wie die Extension für OpenOffice "WollMux", die das Programm unter anderem um ein Textbaustein- und Formularsystem für die Verwaltung ergänzt.
Open-Source-Software wird in den meisten Kommunen schon eingesetzt - sei es im Server-Bereich oder bei Anwendungen. Vor Linux als Betriebssystem auf Arbeitsplatzrechnern schrecken viele noch zurück. Doch das Interesse ist nach wie vor groß, Hofmann und Heinrich werden oft als Referenten eingeladen. Langfristig wollen die Münchener IT-Strategen noch unabhängiger von Herstellern werden - indem sie zunehmend webbasierte Lösungen einsetzen. Dann wird es noch leichter, das Betriebssystem zu wechseln: Die Programme laufen dann im Browser ab.
Franz Krisch wird diese nächste große Umstellung wohl nicht mehr betreffen - er geht nächstes Jahr in den Ruhestand.