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Italienischer Mafiaboss: Die "rote Primel" ist gefasst

Foto: DPA/ Italian Police

Italien Polizei fasst Mafiaboss in Bunker

Mehr als 15 Jahre lang fahndeten Ermittler nach Michele Zagaria - jetzt haben sie den Mafioso gefasst. Polizisten nahmen den Chef des Casalesi-Clans in einem Bunker in Süditalien fest. Der 53-Jährige war einer der meistgesuchten Verbrecher Italiens.
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Casal di Principe - Im Herzen seines mafiösen Wirkungskreises, in Casapesenna in der Provinz Caserta, ging "Superboss" Michele Zagaria am Mittwoch den Ermittlern ins Netz. Gemeinsam hatten Carabinieri und Polizei das Versteck des 53-Jährigen aufgestöbert - in einem unterirdischen Bunker.

Kurz nach seiner Festnahme habe der seit 16 Jahren flüchtige Camorra-Chef über Unwohlsein geklagt, hieß es aus Polizeikreisen. Man habe einen Krankenwagen gerufen, der sei aber letztlich nicht gebraucht worden. Im Angesicht der gegen ihn ermittelnden Anti-Mafia-Staatsanwälte sagte Zagaria: "Es ist vorbei. Der Staat hat gesiegt." Staatsanwalt Federico Cafiero de Raho formulierte vorsichtiger: "Es ist vorbei, wir haben ihn, aber die Camorra-Gruppierung ist noch nicht besiegt, auch wenn dies ein großer Schritt ist", sagte er.

Zagaria gehört (wie auch der Cosa-Nostra-Boss Matteo Messina Denaro) zu den 30 gefährlichsten Mafiosi landesweit. In den vergangenen Monaten hatten die Anti-Mafia-Fahnder das Netz immer enger gezogen, Zagaria war gezwungen gewesen, sein Versteck immer wieder zu wechseln. Er blieb jedoch immer in der Provinz Caserta, ein Verhalten, dass viele flüchtige Mafiosi an den Tag legen, weil sie ihren Machtbereich ungern anderen überlassen und auf Kontakte zu ihren Mittelmännern angewiesen sind.

Zagaria wollte "persönlich die wichtigen Erpressungsaktivitäten leiten, über eine möglichst geringe Zahl von Vermittlern", sagte ein Sprecher der Anti-Mafia-Behörde von Neapel laut "Repubblica". Tatsächlich soll er mit seinen Leuten nicht über Mobiltelefone, sondern ausschließlich über "Pizzini", kleine handgeschriebene und in der Regel codierte Botschaften, kommuniziert haben.

Gomorrha-Autor Saviano wusste schon vor Jahren von dem Versteck

Zagaria (Spitzname "rote Primel") galt als die Nummer eins der Casalesi, der mächtigsten und gewalttätigsten Gruppierung der neapolitanischen Camorra. Die Casalesi-Familie betreibt seit geraumer Zeit lukrative Geschäfte mit dem Transport und der Lagerung von Giftmüll. Der "Zement-König" Zagaria scheffelte über öffentliche Aufträge Millionen im Bauwesen, soll erpresst, getötet und entführt haben. Eisern kontrollierte er sein Territorium.

"Es ist die unternehmerische Qualität des Managers Zagaria, die seinen Firmen in ganz Italien zum Erfolg verholfen hat", schrieb der Autor des Camorra-Bestsellers "Gomorrha", Roberto Saviano, im Juni 2006 im "Corriere della sera". Dank des altbekannten "perversen Mechanismus'", bei dem die Mafia stets die günstigsten Angebote abgibt, weil sie über das meiste Geld aus kriminellen Aktivitäten verfügt, das sie reinwaschen muss, sei Zagaria konkurrenzlos. Sogar bis nach Kalabrien sei der Clan Zagaria aktiv gewesen - im Heimatland der noch mächtigeren 'Ndrangheta.

Saviano wusste schon damals, wo sich der Boss versteckt hält: "Zagaria ist dort, in Casapesanna, das wissen alle, das vermuten auch die Ermittler. Eine Handvoll Straßen. Aber eine offenbar uneinnehmbare Festung." Die Festnahme kommentierte Saviano am Mittwoch wohlwollend via Twitter: "Zagaria geschnappt, wie eine Maus unter der Erde. Ausgezeichnete Arbeit, Jungs!"

Die Festnahme der "roten Primel" sei "eine wunderbare Sache, das Ergebnis der intensiven Arbeit der Sicherheitskräfte und vor allem der Polizei", freute sich Neapels Oberstaatsanwalt Giovandomenico Lepore. Der Staat habe sich endlich wieder auf einem von der Camorra dominierten und gemarterten Territorium behaupten können. Die Botschaft sollte sein: "Wer sein eigenes Leben der Camorra opfert, wird sterben oder im Gefängnis landen."

Bereits im April waren die Carabinieri ganz dicht dran an Zagaria, der im berühmten Maxi-Prozess "Spartakus" zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden war. Über Radar hatten die Ermittler ein Satellitensignal geortet. Als sie jedoch bei dem Versteck ankamen, war die Person, die es genutzt hatte, nicht mehr aufzufinden.

ala