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Hinrichtung in Georgia: Eine Kamera als Zeuge

Foto: AP/ Georgia Department of Corrections

Todesstrafe Hinrichtung von US-Mörder gefilmt

Amerikas Henker haben Nachschubprobleme: Den Bundesstaaten fehlt ein Betäubungsmittel. Deshalb verwenden sie ein Medikament, mit dem sonst Tiere eingeschläfert werden. Anwälte eines zum Tode Verurteilten klagten - und setzten durch, dass eine Exekution als Beweismittel gefilmt wurde.
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Hamburg - "Ich liebe dich, Dawn, vergiss nicht zu lächeln." Das waren die letzten Worte von Andrew DeYoung, gerichtet an einen alten Freund. Als das Gift am Donnerstagabend (Ortszeit) im Gefängnis von Jackson im US-Bundesstaat Georgia in seine Adern injiziert wurde, blinzelte und schluckte der 37-Jährige nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur AP noch etwa zwei Minuten. Dann schlossen sich seine Augen.

Eineinhalb Meter von dem Sterbenden entfernt stand eine Kamera auf einem Dreibeinstativ: Die Hinrichtung wurde gefilmt.

Nach Angaben der BBC war bis dahin in den USA erst eine Exekution mit einer Kamera aufgenommen worden: Sie fand 1992 in Kalifornien statt, ein Mann starb in einer Gaskammer. Der Film war Teil einer Kampagne gegen diese Hinrichtungsmethode. Kalifornien schaffte sie später ab.

Auch dieses Mal soll der Film als Druckmittel eingesetzt werden. Es geht um das bei Hinrichtungen eingesetzte Betäubungsmittel Pentobarbital. Es wird normalerweise verwendet, um Tiere einzuschläfern. Mehrere Bundesstaaten der USA setzen es bei Hinrichtungen als eines von drei Mitteln ein. Erst wird Pentobarbital injiziert, um den Häftling zu narkotisieren. Dann folgt Pancuroniumbromid, das Mittel lähmt die Muskeln. Schließlich löst das dritte Mittel, Kaliumchlorid, den Herzstillstand aus.

Der erste Einsatz von Pentobarbital löste große Proteste aus

Weil es beim herkömmlichen Betäubungsmittel Thiopental-Natrium Nachschubprobleme gibt, mussten bereits mehrere Hinrichtungen verschoben werden. Das einzige Pharmaunternehmen, dass es in den USA anbot, hatte es im Herbst vom Markt genommen.

Daraufhin bezogen US-Bundesstaaten Thiopental-Natrium aus der EU. Doch in den europäischen Mitgliedstaaten wurde der Protest laut: England verhängte ein Exportverbot. In Deutschland schlossen Pharmahersteller aus, den Wirkstoff in die USA zu liefern.

Als Alternative verwenden viele amerikanische Gefängnisse nun Pentobarbital. Allerdings stellte der Lieferant Lundbeck aus Dänemark Anfang Juli klar, dass sein Medikament nicht mehr für Hinrichtungen verwendet werden darf. Amerikas Henker müssen sich daher nach neuen Giftlieferanten umsehen.

In Georgia wurde Pentobarbital zum ersten Mal am 23. Juni eingesetzt. Damals wurde Roy Blankenship in Jackson hingerichtet. Ein Reporter berichtete später, Blankenship habe während der Prozedur seinen Kopf mehrere Male ruckartig bewegt, er habe auf die Nadeln gesehen, die in seinen Armen steckten, und habe begonnen, vor sich hinzustammeln, als Pentobarbital in seine Venen floß.

Kritiker der Todesstrafe sagten daraufhin, Blankenships Bewegungen seien der Beleg, dass Georgia Pentobarbital nicht verwenden dürfe. Auch DeYoungs Anwälte versuchten vor Gericht, die Hinrichtung mit dieser Begründung zu verhindern. Sie hatten keinen Erfolg.

Dass DeYoungs Hinrichtung nun gefilmt wurde, geht auf die Klage der Anwälte des ebenfalls zum Tode verurteilten Gregory Walker zurück: Sie hatten am Montag vor Gericht durchgesetzt, dass die Hinrichtung DeYoungs gefilmt wird. Gregory Walker hatte gegen seine Verurteilung geklagt. Er und seine Anwälte argumentierten, eines der injizierten Mittel löse Schmerzen aus, was nicht erlaubt sei. Der Film sollte dies nun beweisen.

Walker wurde 2005 zum Tode verurteilt, weil er eine 23-jährige Hotelangestellte umgebracht hat, die ihm Drogen und Geld gestohlen hatte, als er in seinem Hotelzimmer schlief.

Ablehnung der Todesstrafe wächst

Die Staatsanwälte hatten sich dagegen gestellt, dass die Hinrichtung gefilmt wird. Sie befürchteten, der Film könne an die Öffentlichkeit gelangen. Auch Nathan Deal, Gouverneur Georgias und Republikaner, sagte, er habe "große Bedenken". Doch der Oberste Gerichtshof Georgias wies die Berufung am Donnerstag wenige Stunden vor der Hinrichtung DeYoungs ab.

DeYoung war wegen dreifachen Mordes zum Tode verurteilt worden. Er hatte vor 18 Jahren seine Mutter, seinen Vater und seine 14-jährige Schwester umgebracht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte er sein Erbe nutzen, um ein Unternehmen zu gründen.

Nach der Hinrichtung Blankenships verwies die Generalstaatsanwaltschaft Georgias auf die Sicherungsmechanismen, die unnötige Schmerzen verhindern würden. Die Behörde zog die Angaben des Reporters in Zweifel: Blankenship habe sich bewegt, bevor ihm Pentobarbital injiziert worden sei. Bei seiner Hinrichtung sei sogar erstmals von einem Sanitäter überprüft worden, ob er bewusstlos war, bevor ihm das tödliche Gift injiziert wurde.

Auch bei der Hinrichtung von DeYoung wurde geprüft, ob er auf Berührungen seiner Augen und Arme reagierte. Nachdem er keinerlei Bewegungen zeigte, wurde die Hinrichtung fortgesetzt.

Doch nicht nur in Georgia mehren sich Stimmen, die den Tod als Strafe ablehnen. Illinois hat die Todesstrafe gerade abgeschafft, als 16. von 50 Bundesstaaten. Auch in Florida wird über die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe gestritten. In Kalifornien sollen die Bürger bald über die endgültige Abschaffung der Todesstrafe abstimmen. Insgesamt sinkt die Zahl der Hinrichtungen in den USA. Selbst in Texas waren es 2010 nur noch 17.

Anmerkung der Redaktion: In der ersten Version dieses Artikels hieß es, das dänische Unternehmen Lundbeck habe Anfang Juli klargestellt, dass sein Medikament Thiopental-Natrium nicht mehr für Hinrichtungen verwendet werden darf. Richtig ist, dass sich die Klarstellung Lundbecks auf das Mittel Pentobarbital bezog. Wir haben die Passage korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

bim/AP

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