Führungsstreit in der AfD Lucke plant große Abrechnung
AfD-Chef Bernd Lucke: Kein kampfloser Rückzug
Foto: Britta Pedersen/ dpaEs war ein Wochenende wie so viele in der AfD - gleich drei Landesvorstände in Nordrhein-Westfalen erklärten ihren Rücktritt. Und dann waren da noch die Gerüchte um Bernd Lucke. Seit Samstag kursierte in der Partei, der Frontmann der Eurogegner, der sich auf dem Parteitag am 13. Juni endgültig zum alleinigen Chef wählen lassen will, plane eine Aktion. Was genau, das wusste niemand.
Die Parteifreunde, vor allem Konrad Adam, versuchten vergeblich, Lucke zum Reden zu bringen. Ob es wahr sei, dass er zurücktreten wolle. Ob er etwas gegen die Vorstandskollegen plane? Und was? "Kein Kommentar", war die einzige Antwort, die sie erhielten.
Adam, immerhin als Bundessprecher formal gleichrangig mit Lucke, riss der Geduldsfaden: Er appellierte über die "Bild"-Zeitung an Lucke. "Es gibt handfeste Indizien dafür, dass Bernd Lucke sich dazu entschieden hat, die AfD zu verlassen", sagte er dem Reporter. "Meine Kollegen und ich nehmen das sehr ernst und fordern ihn in tiefer Sorge um die Zukunft der AfD auf, sich dazu zu erklären."
Tatsächlich wäre ein Abgang Luckes für die Partei dramatisch. Der VWL-Professor ist das seriöse Gesicht der zunehmend nach rechts abgleitenden Partei. Doch Lucke plant keinen Rücktritt. Er ist noch nicht bereit, die AfD, die er in zwei Jahren praktisch aus dem Nichts aufgebaut hat, kampflos aufzugeben.
Lucke attackiert in einer Rundmail seine Gegner
Lucke plant nach SPIEGEL-Informationen vielmehr einen letzten, verzweifelten Generalangriff auf seine Rivalen im Vorstand, vor allem auf seine Co-Sprecherin Frauke Petry und den NRW-Parteichef Marcus Pretzell. Wie aus Luckes (stetig schrumpfendem) Unterstützerkreis zu hören ist, will er in einer Pressekonferenz, voraussichtlich am 18. Mai, gemeinsam mit Hans-Olaf Henkel mit dem rechten Flügel in der AfD abrechnen.
Er will vor einer Spaltung der Partei warnen und an die Basis appellieren, ihm und seinem Kurs auf dem Bundesparteitag im Juni das Vertrauen auszusprechen. Eigentlich hatte Lucke einen Kurs der Partei in seine Richtung mit einem Mitgliederentscheid erzwingen wollen. Doch in letzter Minute hatte die Mehrheit im Vorstand beschlossen, den Entscheid erst nach dem Parteitag abzuhalten.
Nun sucht Lucke offenbar andere öffentlichkeitswirksame Wege. Henkel, der jüngst erst seinen Posten im Bundesvorstand niedergelegt hat, weil ihm die Partei zu sehr nach rechts gerückt war, bestätigte die Pläne indirekt. "Die AfD-Basis muss erfahren, was da an der Spitze gespielt wird, wie einige wenige Funktionsträger dieser Partei mit ihrem Rechtskurs empfindlich schaden", sagte er dem SPIEGEL. Denn die "überwältigende Mehrheit" der Mitglieder seien gerade keine Rechten. Sie unterschätzten nur die rechte Gefahr.
Ob Luckes Strategie klug ist, ist fraglich
Den Anfang machte Lucke in der vergangenen Nacht mit einer Rundmail: "Es gibt Spannungen und Probleme in der Partei, die ein Umsteuern erfordern, sonst scheitert die AfD", heißt es da. Ein Teil der Partei sei "zunehmend besorgt, weil die Mitgliedschaft in der Alternative für Deutschland immer öfter vom Arbeitgeber missbilligt wird, weil sie zu beruflichen Nachteilen führt, weil Kunden verloren gehen und weil man sich sozial ins Abseits gerückt sieht, wenn man merkt, dass Freunde und Bekannte, ja manchmal sogar Familienmitglieder auf Distanz gehen."
Manche AfD-Mitglieder empfänden eine klammheimliche Freude daran, Parteifreunde mit Intrigen Schwierigkeiten zu machen. "Karrieristen, Querulanten und Intriganten" hätten "die trefflichsten Gelegenheiten der Selbstverwirklichung".
Andere AfD-Vorstandsmitglieder wollten Luckes Vorhaben nicht kommentieren. Ob dessen Strategie klug ist, ist fraglich. Henkel ist in der AfD nicht sehr beliebt, ein öffentlicher Auftritt Luckes mit ihm, als Frontalangriff gegen beliebte Vorstände wie Petry, könnte Lucke weiter isolieren. Gründe gäbe es auch für einen Rücktritt Luckes genug. Sein Rückhalt in der Partei bröckelt, und seine parteiinternen Rivalen reisen seit Wochen durch die Lande, machen Stimmung gegen ihn und organisieren Mehrheiten für den Bundesparteitag in Kassel.
Eine Mehrheit hätte Lucke wohl - aber auch viele Gegner
Eine Mehrheit würde Lucke als erster Vorsitzender wohl noch erhalten - aber was hülfe es ihm, wenn unter ihm ein Team aus Gegnern gegen ihn arbeitete? Offiziell hatte Petry zwar Lucke Gespräche über ein gemeinsames Vorstandsteam angeboten. Doch Lucke traut der sächsischen Landeschefin inzwischen längst nicht mehr über den Weg. Erst an diesem Wochenende war Petry Versammlungsleiterin auf dem Parteitag von Pretzells Landesverband Nordrhein-Westfalen, der die meisten Delegierten auf dem Bundesparteitag stellt.
Der Parteitag lief gegen Ende völlig aus dem Ruder: Am einzigen geplanten Veranstaltungstag wurden nur 20 Delegierte gewählt, da die verfeindeten Lager im Landesverband die Kandidaten der jeweils anderen Seite mit Nein-Stimmen blockierten. Darauf wurde der Parteitag am Sonntag kurzerhand in Düsseldorf in der Geschäftsstelle fortgesetzt, ohne die Mitglieder groß zu informieren. Ein juristisches Nachspiel dürfte folgen.