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Wetterstein-Massiv Spitzentanz am Klettersteig

Einmal die Alpspitze hinaufzutänzeln, das gehört zu einem bayerischen Bergsteigerleben. Der "Signalberg" über Garmisch-Partenkirchen ist weithin sichtbar und wie geschaffen für erste Klettersteig-Erfahrungen, erste eigene Routen im Fels und genussvolle Panorama-Touren.
Von Bene Benedikt
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Nordwand-Ferrata – das klingt so schön wild und gefährlich, dass man sie einfach gemacht haben muss. Als Münchner Bergsteiger sowieso oder zumindest als einer von denen, die sich dem Gebirge auf der A95 nähern. Nach Herzogstand, Heimgarten und Hörnle gibt die Zugspitze den Fluchtpunkt vor, aber dann, kaum geht es auf der Bundesstraße durchs Loisachtal, rückt das klare Dreieck ins Bild, das Garmisch-Partenkirchen so elegant überragt: Wie ein scharfes Signal reckt sich die Alpspitze in den Himmel und dominiert den Blick auf das Wetterstein-Massiv. Bei richtiger Beleuchtung funkelt und glitzert die weiß angehauchte Nordwand, überstrahlt den herben Reiz des Jubiläumsgrats, die hinkeligen Waxensteine und den sowieso faden Zugspitzgipfel.

Die Fragen "by fair means" stellt sich ein ehrlicher Alpinist bei einem Klettersteig besser gar nicht, also ist die Osterfelderbahn auch der logische Zustieg. Nur ganz faire Ferratisten schnaufen von Hammersbach (750 Meter) aus am Kreuzeck vorbei auf den Osterfelderkopf (2030 Meter). Ein herrlicher dreistündiger Warm-up! Die Seilbahn schwebt über steile Abbrüche, serviert Einblicke ins Höllental und zum Eibsee. Wirklich früh aufstehen muss man für die Nordwand nicht: Morgens ist sie kalt, aber (unten) sonnig, mittags ist sie schattig, aber belebt und am Nachmittag gibt’s Gegenverkehr und außerdem pressiert’s dann immer zur letzten Bahn ins Tal.

Mit Klettersteigset und Bergschuhen in den Fels

Zur Eile ist morgens um zehn kein Grund, die Terrasse ist mit munteren Weißbiertrinkern aus unbayerischen Landen erst halb gefüllt. Imposante Warnschilder bemühen sich, sie von der Nordwand fernzuhalten: "Die Steige sollten nur von GEÜBTEN BERGSTEIGERN mit genügender Erfahrung und geeigneter Ausrüstung (Bergschuhe, Wetterschutz usw.) begangen werden." Und etwas später warnt eine gefährlich rote Tafel: "Vorsicht! Bei Regen und Gewitter erhöhte Steinschlaggefahr!" Wir gehen die Sache mit dem gebührenden Ernst an und haben Bergschuhe angezogen … und mehr noch: Helm, Gurt und Klettersteigset eingepackt.

Aber nicht doch, der Spott ist fehl am Platze. Es gibt bestimmt genug Nicht-Bergschuhträger, die einfach loslaufen und sich dann wundern, wenn die Kollegen mit den Bergschuhen plötzlich bunte Helme rausholen, sich "Stricke um den Bauch binden" und mit strengem Blick über das Gemäuer hinaufschauen.

Es geht recht eindrucksvoll los, denn nicht umsonst ist die Nordwand-Ferrata berühmt für ihre dicht gedrängten Eisenkrampen, die kaum genug Platz lassen für große Füße in klobigen Schuhen. Gleich am Anfang führt eine lange Tritte-Reihe über eine graue Felswand senkrecht hinauf, die bequem und reizvoll zu umklettern wäre. Die Idealroute der Erbauer des Steigs war offenbar – in der Direttissima-Zeit der früher 70er – die "Linie des fallenden Tropfens", und genau dieser folgt die Krampenreihe, die wie eine Leiter hinaufsaust.

Strenge Eisenreihen

Doch wie und wann ist die Ferrata entstanden? Die Seilbahn auf den Osterfelderkopf ging 1973 in Betrieb, genau 47 Jahre nach der Jungfernfahrt der benachbarten Kreuzeck-Seilbahn. Die Osterfelderbahn erschloss ein neues Skigebiet zu Füßen der Alpspitze; zur Belebung des Sommergeschäfts beauftragte die Zugspitzbahn den Wegebauer Klement Mangold mit dem Bau der Ferrata. Der erinnert sich, wie er den 75 Kilo schweren Generator für den Bohrhammer durch die Nordwand schleppte und Tritt um Tritt einzementierte. Sicherheit war die oberste Maxime, in dieser Wand, die nicht ohne objektive Gefahren ist (Steinschlag, Vereisung bei Wettersturz).

Die strengen Eisenreihen werden heute belächelt, aber – "übersichert" oder nicht – der Steig macht Spaß, wenn man nicht "im Pulk" geht. Zunächst ein Stück weit am westlichen Rand der Nordwand hinauf bis auf eine Schulter, die den Blick ins Höllental öffnet. Eine gute halbe Stunde pendelt nun der Weg zwischen der aussichtsreichen Kante und der Fläche der Nordwand, teils gesichert, teils als Weg angelegt. Wer gut und sicher zu Fuß ist, wird nur dann Sicherungsbedarf verspüren, wenn Altschnee unter den Seilstücken die Passage rutschig werden lässt.

Unbedingt froh aber waren wir über unsere Helme, denn bei der üblichen Frequenz stellen wahrscheinlich die Vorangehenden das größte Risiko auf Bayerns meistbegangenem Klettersteig dar. Ungefähr 200 Meter unter dem Gipfel springt die Ferrata nach rechts um die Kante, läuft über dem Mathaisenkar zum westlichen Gipfelaufbau.

Toll war's

Nach der Vereinigung mit dem Weg aus dem Höllental und über den Jubiläumsgrat sind es nur noch ein paar Dutzend Höhenmeter zum Kreuz und zum Gipfel selbst (das Kreuz wurde aussichtsgünstig ein Stück tiefer gen Garmisch gesetzt).

Grandioser Rundblick: auf Zugspitze, Reintal, hinüber ins Karwendel und auf die fernen Gipfel des Alpenhauptkamms. Wunderbar! Kein Wunder, dass die Garmischer (und Partenkirchner, natürlich) die Alpspitze in ihrem Logo in allen Regenbogenfarben strahlen lassen.

Und der Weg hinab? Schön gemütlich über die vielen breit gebahnten Wege der Ostflanke, mäßig aufregend auf dem Grat über dem Grießkar; brav zick-zackend in der schuttigen Fläche talwärts auf das Oberkar und die Schöngänge zu. Das letzte Stück, der Weg unter der Nordwand, ist dann noch mal ein Schmankerl, wenn der Weg ziemlich dunkel durch zwei Tunnel führt, bevor er die Osterfelderbahn erreicht. Dort hat sich inzwischen die Terrasse gefüllt, mit vergnügten Ausflüglern aus Oberbayern und Ostasien, mit Zamperln und Dohlen. Füße ausstrecken, Nordwand fixieren, Tourenbuch quittieren. Toll war’s!

Die Tourbeschreibung: Alpspitze, 2628 Meter

Gesamtzeit 8 Stunden, 1500 Höhenmeter, Schwierigkeitsgrad schwer.

Die Ferrata ist so gut gesichert, dass der Einstieg in die Welt der Klettersteige zum Vergnügen werden sollte, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt. Wichtig ist vor allem der Helm zum Schutz vor Steinschlag durch die Vorausgehenden.

Zeiten: 4 Stunden Zustieg (ohne Bergbahn), 2 Stunden Steig, 2 Stunden Abstieg.

Steigverlauf: Von der Bergstation der Alpspitzbahn ein Stück auf dem Nordwandsteig, dann nach dem abgespaltenen Turm aufsteigen. Eine Schlüsselstelle am Anfang soll Wanderer abhalten. Von der Scharte "der lustigen Bergler" über Rinnen und Schrofengelände auf den Nordwestgrat, auf einem Band zur Westflanke und schließlich durch eine breite Rinne zum Gipfel.

Abstieg: Entweder mitten auf der breiten, platten Ostseite oder über den Ostgrat (schmal, teilweise schottrig, aber ebenfalls versichert) ins Oberkar und auf dem Nordwandsteig zurück zur Bahn.

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