Slowenien Schmelztiegel der Kulturen
Ljubljana - Slowenien hat es manchmal nicht leicht, sich unter den Nationen Europas zu behaupten. Das Land ist eher klein, und von Menschen mit lückenhaftem Geografiewissen wird es gerne mal mit der Slowakei verwechselt. Doch seit die einst jugoslawische Republik der Nato und der EU beitrat und Anfang 2007 den Euro einführte, wächst der Bekanntheitsgrad des Landes zwischen Alpen und Adria. Sich selbst definieren die Slowenen dabei als mitteleuropäisch - schließlich lebten sie rund 600 Jahre unter Habsburger Herrschaft.
Obwohl Slowenien mit 20.000 Quadratkilometern nur knapp so groß wie Hessen ist, ist es landschaftlich und kulturell sehr abwechslungsreich: vom Hochgebirge im Norden über weinreiches Hügelland im Süden und Osten bis zum Meereszugang im Westen; von barocken Bergdörfern über eine Hauptstadt im österreich-ungarischen "K.u.k.-Stil" bis hin zur venezianisch anmutenden Adriaküste. Zu essen gibt es österreichische Mehlspeisen, ungarisches Gulasch und auch italienische Pasta.
Sloweniens Herz ist die Hauptstadt Ljubljana (Laibach). Habsburgs Erbe prägt die Stadt mit ihren 260.000 Einwohnern bis heute. Da gibt es Jugendstil- und Barockfassaden, eine Philharmonie im Zuckerbäckerstil, an der Gustav Mahler dirigierte, und Kaffeehäuser wie das "Kavarna" im "Grand Hotel Union", wo vornehme Damen Kaffee schlürfen und "Kremsnita" genießen, eine Cremeschnitte.
Cockta feiert Comback
Bei gutem Wetter spielt sich das Leben im Freien ab, entlang des Flüsschens Ljubljanica in der Altstadt, die seit den 70er Jahren restauriert und wiederbelebt wurde. In den vielen Bars, Cafés und Restaurants wird oft bis nach Mitternacht gelacht, musiziert und gefeiert. Reichhaltige einheimische Küche wird etwa im "Gostilna pri Pavli" aufgefahren, dort ist die Gibanica, ein gebackener Quark-Mohn-Apfel-Auflauf, besonders beliebt.
In Ljubljanas angesagten Bars ist inzwischen überall wieder Cockta zu haben, eine 1953 in Jugoslawien erfundene braune Brause, die damals der US-amerikanischen Coca-Cola Konkurrenz machen sollte. Das Erfrischungsgetränk verschwand nach der Auflösung Jugoslawiens in der Versenkung, erfreut sich heute aber wieder reger Nachfrage.
Wer dagegen slowenische Weine probieren möchte, sollte in die Weinstube "Movia" gleich neben dem Rathaus einkehren, wo Dutzende erstklassige einheimische Sorten eine Entdeckung für Genießer sind. Slowenische Tropfen können es durchaus mit der italienischen oder österreichischen Konkurrenz aufnehmen, schließlich sind die Lagen sonnig, die Böden vulkanisch und die Winzer erfahren. Zu Zeiten des Kommunismus gehörten slowenische Weine zu den besten des Ostblocks.
40 Kilometer Küstenlandschaft an der Adria
40 Kilometer Adriaküste
Ljubljanas Wahrzeichen ist seine Burg, die oben auf dem Schlossberg thront. Ihr heutiges Gesicht erhielt sie unter den Habsburgern. Vom Burgturm hat man einen perfekten Blick auf Stadt und Umland. Vorbei am 14-geschossigen Neboticnik-Turm, der nach seiner Fertigstellung 1933 kurzzeitig das höchste Gebäude Mitteleuropas war, reicht der Blick bis zu den Alpen und im Süden bis zum Karst.
Hinter den zerfurchten Karsthügeln liegt das Küstenland, das über Jahrhunderte italienisch geprägt war. Bis heute lebt hier eine italienische Minderheit. Der endgültige Grenzverlauf nach dem Zweiten Weltkrieg wurde erst 1954 festgelegt. Die Hafenstadt Triest blieb bei Italien, das Hinterland und der Norden der Halbinsel Istrien gingen an Slowenien, der Rest von Istrien wurde kroatisch.
So kommt es, dass Slowenien nur rund 40 Kilometer Adriaküste und wenige Strände hat. Schön ist die Küste trotzdem, vor allem, weil Venedig in jedem Ort grüßen lässt: In Piran und Izola mit einem mächtigen Campanile, in Koper mit prächtigen Palazzi. Alle drei Orte gehörten bis ins 18. Jahrhundert zur Republik Venedig.
Die Primadonna unter Sloweniens Küstenstädten ist Piran. Das 5000-Einwohner-Örtchen liegt auf einer Landzunge, an drei Seiten vom Meer umgeben. Historische Häuser und Palazzi drängen sich in engen Gassen dicht zusammen, an der Promenade reihen sich Pensionen und Fischrestaurants aneinander. Und weil der Sandstrand fehlt, springt man zum Baden vom steinernen Kai direkt ins Meer. Die gesamte Stadt steht unter Denkmalschutz und ist für Autos gesperrt. So bleibt Platz zum Bummeln und Promenieren, zum Bad in der Sonne und zur Einkehr auf einer Restaurant-Terrasse.
Saftige Almwiesen und einsame Bergdörfer
Ganz anders sieht es im Norden des Landes aus, in den Karawanken und Julischen Alpen, deren höchster Gipfel, der Triglav, 2864 Meter misst. Dichte Wälder, saftige Almen, beschilderte Wanderwege und blumengeschmückte Bergdörfer, die sich rund um barocke Kirchen scharen, wirken kaum anders als in Österreich. Selbst die Vorliebe für alpine Blasmusik teilen beide Völker, was die "Original Oberkrainer" beweisen, die seit 1955 an ihr schunkelndes, europaweit beheimatetes Publikum gut 30 Millionen Volksmusikplatten verkauften.
Die Musikanten stammen aus einem Bergdorf der Oberkrain, der Grenzregion zu Österreich. Mittelpunkt der Oberkrain ist das alte Kurbad Bled mit einer Bilderbuch-Kulisse: Im Hintergrund das mächtige Alpenpanorama, im Vordergrund der Bleder See, in dessen Mitte eine kleine Insel mit der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt liegt. Dazwischen das noble Bergstädtchen Bled, das heute wie zu "K.u.k."-Zeiten Aristokraten und wohlhabende Bürgerliche anzieht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg residierte Staatschef Tito im Sommer in der "Villa Bled", die zuvor Residenz der jugoslawischen Könige war und heute eines der luxuriösesten Hotels des Landes ist. Wer will, kann ab 150 Euro pro Nacht herrschaftlich absteigen. Titos ehemalige Räume, heute die Presidential-Suite, schlagen mit 620 Euro zu Buche.
Thomas Gross, gms