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Achilles' Ferse Ziepen, Spritzen, Leiden

Am nächsten Wochenende stehen eine ganze Reihe von Marathons auf dem Programm - täglich erreichen Achim und sein Team deshalb Mails von verzweifelten Startwilligen, deren Körper streikt. Selbst Doc Dimeo kann nicht immer helfen.
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Liebes Berater-Team,
ich bereite mich seit Ende Januar konsequent auf den Hamburg Marathon vor, den ich bereits vor zwei Jahren erfolgreich und mit Spaß bewältigt habe (vier Stunden). Mein wöchentliches Trainingspensum liegt im Schnitt zwischen 50 und 70 Kilometern. Bislang habe ich acht lange Läufe (20 bis 30 Kilometer) problemlos absolviert. Vergangene Woche kam dann der Einbruch. Von einem Tag auf den anderen Beine wie Blei, Ziepen in den Knien und eine Art Dauermuskelkater. Auch Dehnen, regelmäßige Saunagänge und das Einreiben mit Franzbranntwein halfen nicht viel weiter. Seither bin ich mehr schlecht als recht vier mal zehn Kilometer gelaufen (in mühsamen 6 Minuten/Kilometer). Ich habe schon beinahe das Gefühl, dass ich die Marathonteilnahme abschreiben kann. Alles für die Katz… Körperlich bin ich ansonsten fit, 45 Jahre alt, 1,87 Meter groß und etwa 75 Kilogramm schwer. Was tun?
Oliver, verzweifelt in Darmstadt

Lieber Oliver,
eine plötzliche Leistungseinbuße kann verschiedene Ursachen haben. Da Sie keine Beschwerden wie Fieber, Durchfall oder Gelenkschmerzen hatten, ist ein Infekt als Ursache des Problems unwahrscheinlich. Sie befanden sich voll im Marathontraining, so dass ein Übertrainingszustand in Betracht kommt. Ein Übertraining festzustellen ist jedoch aus medizinischer Sicht äußerst schwierig, denn es gibt keine Laborwerte oder Untersuchungen, um es festzumachen. Wenn Sie zusätzliche Beschwerden hatten wie einen unruhigen Schlaf, ausgeprägte Müdigkeit oder Appetitmangel, ist ein Übertraining wahrscheinlicher. Sie werden sich bei Ihrem Arzt vorstellen müssen. Und damit sind die schlechten Nachrichten nicht zu Ende: Beim Übertraining ist eine Trainingspause von mehreren Wochen erforderlich, um die alte Kondition wiederzuerlangen. Damit wäre Ihr Marathon passé. Lassen Sie deswegen Ihr Trainingsprogramm von einem erfahrenen Trainer oder Sportmediziner kontrollieren, um festzustellen, ob und was Sie falsch gemacht haben. Trotzdem wünsche ich Ihnen viel Spaß beim weiteren Training,
Ihr Dr. Fernando Dimeo

Lieber Dr. Fernando Dimeo,
in der Endphase meiner Marathonvorbereitung für den Vienna City Marathon am 29. April hat mein Orthopäde gestern eine Schleimbeutelentzündung im Hüftgelenk diagnostiziert. Der Schmerz strahlt in Oberschenkel und Knie aus. Ich habe in den letzten Wochen intensiven Trainings meinen Gelenken zu wenig Ruhephasen gegönnt, dazu einen Halbmarathon (1:45,32) am 1. April absolviert und eine Woche später einen langen Lauf von 32 Kilometern. Momentan nehme ich Wobenzym-Kapseln, Voltaren-Salbe und konsultiere einen akupunkturerfahrenen chinesischen Arzt. Meine Frage: Wie realistisch sehen Sie eine erträgliche Heilung bis zum 28. April, um den Marathon erfolgreich laufen zu können? Haben Sie Erfahrungen mit Akupunktur bei Scheimbeutelentzündungen? Wie ist Ihre Meinung zum Thema Fitspritzen mit Cortison? Ich habe mich von meiner geplanten Zielzeit unter vier Stunden - auch wenn es sehr schwer fällt - bereits verabschiedet. Ich wäre Ihnen für eine kurzfristige Antwort sehr dankbar,
Silvana aus München

Liebe Silvana,
ich kann Sie beruhigen: im Bereich von vier Stunden gibt es für die Damen keine Preisgelder, so dass Ihr Lebensunterhalt nicht davon abhängt, ob Sie in zehn Tagen den Marathon in der geplanten Zeit laufen oder nicht. Sie gestehen selber zu, beim Training übertrieben und sich eine Verletzung geholt zu haben. Sie müssen offensichtlich noch lernen, respektvoller mit Ihren Körper umzugehen. Ihr gesamtes Therapiekonzept kommt mir zu selbstgebacken vor. Haben Sie es allein gestaltet oder einen Sportmediziner konsultiert? Akupunktur hilft nachweislich bei chronischen Beschwerden, aber ich bin nicht sicher, ob sie schnell genug helfen wird. Eine konservative Behandlung mit einem Entzündunghemmer und körperlicher Schonung ist ratsam. Mit Glück sollte die Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen deutlich abklingen. Mit viel Glück und Hilfe eines vernünftigen Arztes werden Sie einige Tage vor dem Rennen beschwerdefrei sein, so dass eine Teilnahme infrage kommt. Und mit unverschämtem Glück werden Sie den Marathon erfolgreich absolvieren können, denn eine Pause von einer Woche bis zehn Tagen beeinträchtigt die Kondition nur geringfügig, wenn man vorher ausreichend trainiert hat. Sie können den Start aber auch lassen, wenn Sie zur Vernunft neigen, was bei Läufern jedoch nicht häufig vorkommt.
Mit besten Grüßen,
Ihr Dr. Fernando Dimeo