Neuner-Rücktritt: Gold-Lena macht Schluss
Biathlon-Star Neuner Lenas Pause
Die Biathlon-Weltmeisterschaft im März kommenden Jahres in Ruhpolding ist ab sofort um eine echte Attraktion reicher. Die Titelkämpfe werden die Abschiedsspiele der derzeit weltbesten Biathletin werden. Magdalena Neuner mag nicht mehr - im Alter von dann 25 Jahren, auf dem Zenit ihres Könnens, wird sie ihre beispiellose Karriere beenden. Das klingt fast nicht glaubhaft. Ab jetzt werden Wetten angenommen, wann die Doppel-Olympiasiegerin ihr Comeback angehen wird.
Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass das angekündigte Karriereende möglicherweise nur eine längere Karrierepause ist. Die Ausnahme-Athletin Neuner hat im Biathlon alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Sie ist zehnfache Weltmeisterin, sie war mit ihren Siegen im Massenstart und in der Verfolgung die alles überragende Athletin der Olympischen Winterspiele von Vancouver. Sie hat den Gesamtweltcup bereits zweimal für sich entschieden - Neuner hat in ihrem Sport bereits in jungen Jahren alles erreicht. Abgesehen von der kommenden Heim-WM in Ruhpolding fehlen in den kommenden zwei Jahren die Herausforderungen, die unerfüllten Ziele. Die schwedische Weltmeisterin Helena Ekholm hat gesagt: "Wenn du nichts mehr gewinnen kannst, ist es hart, sich zu motivieren." In dieser Situation war Neuner zuletzt.
Da ist die "Sehnsucht nach mehr Normalität, nach mehr Ruhe", wie sie in ihrer persönlichen Erklärung vom Dienstag formulierte, nachvollziehbar. Neuner war spätestens seit 2007, als sie Deutschlands Sportlerin des Jahres wurde, eine öffentliche Person. Sie war die "Gold-Lena", das Aushängeschild eines mittlerweile massenkompatiblen Fernsehsports. Nach den Rücktritten von Uschi Disl und Kati Wilhelm konzentrierte sich die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf sie. Die ebenfalls sehr erfolgreiche, aber eher spröde Teamkollegin Andrea Henkel erfüllte nicht das Anforderungsprofil des Wintersport-Darlings. Neuner dagegen war genau dies.
Eine perfekt zu vermarktende Sportlerin
Sie war und ist die perfekt zu vermarktende Wintersportlerin, attraktiv, erfolgreich, eloquent, geschmeidig, ohne angepasst zu sein. Mit diesen Gaben hat es Magdalena Neuner zur Wintersport-Millionärin gebracht, auch wenn sie sich gegen die mediale Vereinnahmung zuletzt mehr und mehr gewehrt hat. Ihr Abgang hinterlässt zumindest für den kommenden Winter eine gigantische Lücke im Biathlon. Es ist zurzeit nicht einmal annähernd jemand da, der das auszufüllen imstande ist. Sportlich ohnehin nicht, aber auch für die TV-Quoten wird der Rücktritt Neuners spürbare Folgen haben. "Wir verlieren eine Athletin, die nicht zu ersetzen ist", sagt Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig.
Neuner hat in ihrer sehr persönlich gehaltenen Begründung geschrieben: "Ich habe das Gefühl, dass mich nach dem Sport etwas Neues und Tolles erwartet." Außerdem sei sie "sehr motiviert, neue Dinge auszuprobieren. Vielleicht könnt ihr mir ja helfen, neue Ideen zu entwickeln. Dafür wäre ich sehr dankbar." Das hört sich alles keineswegs so an, als stünde das Lebens- und Arbeitsmodell im Anschluss an die Sportlerinnen-Karriere Neuners schon fest. Es klingt eher so wie bei jemandem, der die ewige Schinderei, das ständige Herumreisen, den jahrelangen Zwang zur Disziplin erst einmal satt hat. "Einfach nur zu Hause sein. Im Sommer in den Urlaub fahren." Das hat sie in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" als Zukunftsziele ausgegeben. Neuner braucht Abstand. Den verschafft sie sich nun.
Dass damit die Biathlon-Karriere endgültig passé ist, mag man sich aber nicht vorstellen. Neuner war bei allem Trainingsfleiß, bei allem Ehrgeiz nie eine, die den Spaß an ihrem Sport darüber verloren hätte. Ihr flog viel zu, zweifellos, dazu ist sie zu talentiert gewesen. Dennoch ist Neuner stets auch eine Biathlon-Begeisterte gewesen. Sich Neuner als PR-Beauftragte des FC Bayern München am Schreibtisch vorzustellen - ein Job, den ihr Präsident Uli Hoeneß nach ihren Erfolgen von Vancouver angetragen hatte - fällt dagegen schwerer.
Sie wäre nicht die erste, die nach einer gewissen Zeit den Rücktritt vom Rücktritt verkündet. Die ehemalige Tennis-Weltranglistenerste Justine Henin aus Belgien kehrte nach einer Pause ebenso in den Sport zurück wie Kanu-Legende Birgit Fischer - von männlichen Beispielen wie Lance Armstrong oder Michael Schumacher nicht zu reden.
Der Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV), Alfons Hörmann, hat am Dienstag gesagt: "Wir werden ihr beim DSV auch in Zukunft alle Türen offen halten." 2014 stehen Olympische Winterspiele im russischen Sotschi an. Bis jetzt hat es noch keine Biathletin geschafft, bei Olympischen Spielen zwei Titel zu verteidigen. Neuner wäre 2014 27 Jahre alt. Es ist das beste Biathlon-Alter.