Staatsdefizit Neuverschuldung sinkt auf 0,6 Prozent
Brüssel - Die Neuverschuldung in der Bundesrepublik sinkt im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozentpunkte, teilte die EU-Kommission in Brüssel in ihrem Frühjahrs-Konjunkturgutachten mit. Im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung sogar noch weiter abnehmen - auf dann nur noch 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Zuvor hatte Deutschland jahrelang die Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschritten. 2003 betrug das Minus in der Spitze 4,0 Prozent. Im vergangenen Jahr konnte Deutschland das sogenannte Maastricht-Kriterium dann erstmals wieder einhalten - ein Erfolg für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Allerdings ist der Bund nicht der einzige Schuldenmacher im Land. Zur Neuverschuldung - auch gesamtstaatliches Defizit genannt - gehört auch die Nettokreditaufnahme der Länder, der Kommunen und der Sozialversicherungen innerhalb eines Jahres. Nicht zu verwechseln ist dieser Wert mit der Gesamtverschuldung, also dem in den vergangenen Jahrzehnten angehäuften Berg aller öffentlichen Schulden.
Auf Bundesebene möchte Steinbrück bis 2011 einen schuldenfreien Haushalt vorlegen. Nach SPIEGEL-Informationen plant der Finanzminister für das nächste Jahr noch eine Neuverschuldung von rund 15 Milliarden Euro. EU- Währungskommissar Joaquín Almunia will den früheren Defizitsünder Deutschland nun bald aus dem laufenden Strafverfahren entlassen. Einen Vorschlag will er in Kürze machen - dieser muss dann noch von den EU- Finanzministern gebilligt werden.
Beim Wirtschaftswachstum ist Brüssel ebenfalls zuversichtlich gestimmt. Für Deutschland erwartet die Kommission nun ein Plus von 2,5 Prozent. In der letzten Prognose war sie noch von 1,2 Prozent ausgegangen. Auch für 2008 wurde die Prognose angehoben: von 2,0 auf 2,4 Prozent.
Auch für die Eurozone ist die EU-Kommission mittlerweile optimistischer. Wegen robuster Investitionen und einer höheren Binnennachfrage hob sie die Wachstumsprognose ebenfalls deutlich an. Das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum werde in diesem Jahr um 2,6 Prozent wachsen. Im Herbst war die Kommission noch von 2,1 Prozent ausgegangen. Für das kommende Jahr erhöhte die Kommission ihre Prognose um 0,3 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent.
Die Kommission begründet ihren Schritt mit der hohen Kapazitätsauslastung und der guten Stimmung in den Unternehmen. Außerdem habe sich der private Konsum dank der Belebung auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Gestützt werde die Entwicklung auch vom Wachstum der Weltwirtschaft. Das hohe Wachstumstempo der Schwellenländer kompensiere die schwächere Konjunktur in den USA weitgehend.
Positive Aussichten gibt es nach Einschätzung der EU-Kommission auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone dürfte den Angaben zufolge weiter sinken. Die Quote werde von 7,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 7,3 Prozent in diesem Jahr sinken. Im kommenden Jahr werde sie erneut zurückgehen auf dann 6,9 Prozent. Im Herbst war die Kommission noch pessimistischer gewesen.
Europa befinde sich auf einem kräftigen Wachstumspfad, der die Arbeitslosigkeit weiter verringern werde, erklärte Währungskommissar Almunia. Auch der Zustand der öffentlichen Finanzen werde sich "in einem lange nicht gesehenen Ausmaß" verbessern.
Die Inflationsrate in der Eurozone wird nach Einschätzung der Kommission im laufenden und kommenden Jahr bei je 1,9 Prozent liegen. Im vergangenen Jahr waren die Verbraucherpreise noch um 2,2 Prozent gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eine Inflationsrate unter zwei Prozent an.
"Optimismus auf breiter Front"
Auch Forschungsinstitute gehen von einem anhaltenden Aufschwung in Europa aus. Laut Analyseinstitut Sentix ist die Stimmung von institutionellen und privaten Investoren im Mai auf einen Rekordwert geklettert. Der Gesamtindex der Konjunkturerwartungen, der von Sentix erhoben wird, stieg von 34,7 Punkten im Vormonat auf 40,8 Punkte. "Die Zeichen stehen weiter auf Aufschwung", teilte das Institut mit. Nach einer kleinen Schwächephase zu Jahresbeginn wiesen die konjunkturellen Frühboten wieder nach oben.
Erstaunlich positiv ist auch die Beurteilung der aktuellen Lage. In der Mai-Befragung sei mit 65 Punkten "ein Extremwert" erreicht worden, erklärte Sentix. Im Vormonat lag der Wert bei 58,25 Punkten. Rund 97 Prozent aller befragten Investoren schätzten die Konjunktur im Euroraum als "gut" oder "sehr gut" ein.
Unterstützung erhält die EU-Kommission mit ihrem zuversichtlichen Ausblick auch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Forscher erwarten für dieses Jahr ein Wachstum von 2,5 Prozent und für 2008 von immerhin noch 2,2 Prozent. Unter den Unternehmen herrsche ein "Optimismus auf breiter Front", teilte das Institut mit. 57 Prozent der westdeutschen und 50 Prozent der ostdeutschen Firmen gaben an, dass ihre Produktion 2007 höher ausfallen werde als im vergangenen Jahr.
wal/dpa-AFX/AP/Reuters